Streit ums Politische: »Queer Trans Pop PoC Xeno? Postkapitalistischer Feminismus«

Heinz Bude im Gespräch mit Sonja Eismann (Kulturwissenschaftlerin und Herausgeberin des Missy-Magazins, Wien und Berlin)

26.10.2015, 19.30

Was noch vor wenigen Jahren weder idealistischen Feministinnen noch sich vom »Genderwahn« verfolgt fühlenden Maskulinisten möglich erschienen wäre, ist heute Realität: das F-Wort ist kein schmutziges Wort mehr. Der Begriff Feminismus hat eine unglaubliche Karriere erfahren: Glamouröse Superstars wie Beyoncé und Emma Watson bekennen sich öffentlich zu ihm, Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg versteht Gleichberechtigung als Karrierebooster und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen begeistert sich für einen »konservativen Feminismus«. Was früher medial abwertend als Schreckbild von den verkniffenen Frauen mit Haaren auf Beinen und Zähnen konstruiert wurde, dient heute als allgemein akzeptierter Motor zur reibungslosen Integration weiblicher Arbeitskräfte in den neoliberalen Jobmarkt. Mit dieser Entwicklung geht einher, dass niemand mehr so richtig zu wissen scheint, wofür das ehemals verfemte Wort heute stehen soll: Ist Feminismus einfach dann, wenn ich ihn für mich reklamiere, also purer »Choice«? Ist »Femonationalismus« heute die dominante Variante, weil rechte Frauen wie Marine Le Pen oder Alice Schwarzer diese instrumentalisieren, um einen rassistischen Gegensatz zwischen »hiesigen« und »fremden« Frauen zu konstruieren? Sollten sich Aktivist*innen verstärkt mit Trans*-Themen beschäftigen, weil Transsexuelle nicht nur das unterdrückerische Primat einer vermeintlichen körperlichen »Natur« dekonstruieren, sondern auch eine der am stärksten diskriminierten Bevölkerungsgruppen sind? Oder müssten sich Theoretiker*innen eigentlich der akzelerationistischen Überhitzung der Verhältnisse zuwenden, um technologieaffin und »xenofeministisch« das einzulösen, was Anfang der 1990er Jahre die Cyberfeministinnen als utopische Verlockung zur Auflösung von Geschlechterdualismen projektiert hatten? Ist am Ende Feminismus nur noch Pop und damit ein beliebig befüllbares Zeichen?

Im Gespräch zwischen Sonja Eismann, Mitherausgeberin des Missy Magazine, und Heinz Bude soll diskutiert werden, welche Verläufe die Begriffsgeschichte des F-Wort in den letzten Jahren genommen hat, wo aktuell die spannendsten Auseinandersetzungen stattfinden und wo heute noch radikal emanzipatorische Potentiale angesiedelt sein könnten.

Sonja Eismann lebt als Kulturwissenschaftlerin und freie Autorin in Berlin. Sie ist seit Ende der 1990er Jahre als Journalistin an der Schnittstelle von Feminismus und Popkultur aktiv. 1999 war sie in Wien Mitbegründerin der Zeitschrift »nylon. KunstStoff zu Feminismus und Popkultur«, 2008 gründete sie gemeinsam mit Steffi Lohaus und Chris Köver das Missy Magazine, dessen Mitherausgeberin und Co-Chefredakteurin sie heute noch ist. In Büchern, Artikeln, Vorträgen und Lehrveranstaltungen beschäftigt sie sich mit der Repräsentation von Geschlecht in der Populärkultur, mit aktuellen feministischen Diskursen sowie mit Konzepten des Utopischen in der Mode.

Die neue Serie in der Reihe Streit ums Politische beschäftigt sich mit den Entstehungsgründen und Ausdrucksformen des »heimatlosen Antikapitalismus«, den manche fürchten, auf den manche aber auch hoffen. An vier Abenden diskutiert Heinz Bude mit seinen Gästen.

In Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung

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