Schaubühne – Pearson's Preview https://www.schaubuehne.de/de/blog/index.html?rss=1 Pearson's Preview de-de service@salzburger-landestheater.de service@salzburger-landestheater.de Schaubühne – Pearson's Preview https://www.schaubuehne.de/images/schaubuehne.png https://www.schaubuehne.de/de/blog/index.html?rss=1 890 116 Schaubühne – Pearson's Preview <![CDATA[In ein besseres Licht<br>Die Entkolonialisierung des öffentlichen Raums in Berlin<br>Ein Gespräch mit Cédric Djedje und Noémi Michel]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-vielleicht.html Mon, 24 Apr 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-vielleicht.html von Joseph Pearson

Als der Darsteller und Regisseur Cédric Djedje im Juli 2018 mit einem sechsmonatigem Künstlerstipendium aus Genf nach Berlin kam, fand er sich im Afrikanischen Viertel im Bezirk Wedding wieder. Aber anders als zu erwarten hatte der Stadtteil nicht viel gemeinsam mit seinen Namensvettern »die ich aus Paris oder Brüssel kannte, mit einer großen afrikanischen Bevölkerung«.

Stattdessen wohnte er nun in einem Viertel, in dem die Straßennamen an die Tragödie des deutschen Kolonialismus in Afrika erinnerten. Nachtigalplatz, benannt nach Gustav Nachtigal, der Togo und Kamerun unterwarf; Petersallee, benannt nach Carl Peters, die »blutige Hand« von Deutsch-Ostafrika und ein von Hitler gefeierter Sozialdarwinist; Lüderitzstraße, benannt nach Adolf Lüderitz, der afrikanische Oberhäupter mit betrügerischen Verträgen um ihr Land brachte.

Als Afro-Europäer ivorischer Abstammung nahm sich Djedje »die Zeit, sich Gedanken über andere Hinterlassenschaften des Kolonialismus in seiner Nachbarschaft zu machen: nicht nur Straßennamen, auch andere Überbleibsel traten bei Rundgängen durch das Viertel deutlich zum Vorschein«. Aus seinen Recherchen entstand das Theaterstück »Vielleicht«, das endlich beim FIND 2023 an der Schaubühne seine Berlin-Premiere feiern wird – in der Stadt, um die es darin geht. Seine Dramaturgin Noémi Michel, Oberassistentin für politische Theorie an der Universität Genf und ehemals auch Gastdozentin an der Humboldt-Universität zu Berlin, gesellt sich zu unserer Unterhaltung hinzu.

Michel erklärt: »Meine wissenschaftliche Forschung konzentrierte sich darauf, wie sich Aktivist_innen im öffentlichen Raum in Frankreich und der Schweiz mobilisierten, aber als ich 2015 zum Thema Antirassismus in Berlin arbeitete, und mich später wieder in Berlin mit Cédric zu Beginn seines Gastaufenthalts traf, ergab sich ein anderes zu betrachtendes Bild. Mit Hilfe eines Fragebogens gingen wir auf die Bewohner des Viertels und Berliner Aktivist_innen zu, insbesondere auf jene, die sich bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und bei Berlin Postkolonial engagieren, um deren vielschichtige und wiederholte Forderungen nach Antirassismus und Entkolonialisierung in der deutschen Hauptstadt zu verstehen.«

Djedje fügt hinzu: »Durch Noémi gelang es mir, meine hiesigen Kontakte auszuweiten. Das hat eine Weile gedauert, aber glücklicherweise hatte ich sechs Monate Zeit. Ich besuchte Veranstaltungen, redete mit Leuten, schrieb E-Mails, ging wieder auf Veranstaltungen und fing an, die Problematik aus einer lokalen Perspektive zu verstehen. Später, während der Ausarbeitung des Theaterstücks, brauchten wir noch einmal mehr Zeit um die passende Form dafür zu finden: Wie verwandelt man diese Menge Material in einen Theaterabend? Wie sollten wir die ganzen historischen Details mit unserer Recherche und den individuellen Geschichten verknüpfen? Warum war ich in Berlin? Den richtigen Blickwinkel zu finden war die große Herausforderung.«

Er erzählt weiter: »Aber wir fanden einen Weg, denn es gab ein performatives Element, das wir zusammen mit unserer großartigen Bühnenbildnerin entwickelten. Wir waren in der Lage, die Form neu auszurichten, indem wir sie sowohl als ein Ritual als auch als eine Untersuchung verstanden haben. Das hat es uns ermöglicht, eine Hommage an die Aktivist_innen zu schaffen: ein Stück, dass dem Kampf verschiedener Generationen afrikanischer und afrikanisch-stämmiger Menschen gegen koloniale Strukturen gerecht wird und es dem Publikum erlaubt, meine sechsmonatige Recherche im Afrikanischen Viertel nachzuvollziehen.«

Eine Reihe von Interviews mit Aktivist_innen und mit Menschen, die etwas enger mit Cédrics persönlichem Leben verbunden sind, wie seine Eltern als afrikanische Migrant_innen in Frankreich, wurde zum Grundgerüst für die Inszenierung. Wiederkehrende Themen mussten, wie Michel es ausdrückt, aus der Menge an Material »herausgeformt« werden. Langsam entwickelte das Team die einzelnen Themen immer weiter, um eine übergreifende Struktur zu finden, und »zusammen konnten wir dann damit anfangen, eine Geschichte über deutschen aber auch europäischen Entkolonialisierungs-Aktivismus auszuarbeiten, welche die Strategien und Diskurse antikolonialer Figuren der Vergangenheit mit denen in Einklang bringt, die den Kampf heute austragen.«

Ich stelle die Frage, welchen Einfluss das Thema auf die Ausgestaltung der Inszenierung hatte, und Cédric erläutert, wie selbst Elemente wie die Lichtgestaltung sich an Fragen des Antirassismus orientiert: »Es ist überaus wichtig darüber nachzudenken, was Licht im Theater mit der Haut macht. Traditionellerweise war die Beleuchtung in Europa auf weiße Haut ausgerichtet, aber wir ziehen in Betracht, was es bedeutet Techniken zu verwenden, die auch andere Hauttöne gut aussehen lassen...«

Noémi fügt hinzu: »Da schwingt auch die Frage der Pluralität mit. Was wir mit der Inszenierung von »Vielleicht« vorhaben ist eine Untersuchung der Verstrickungen: von Raum, Zeit und geschichtlichen Ereignissen. Wir zeigen, dass wir als Afrikaner_innen und Afroeuropäer_innen eine Diaspora darstellen und gemeinsame Erfahrungen und Beziehungen teilen.«

Als ich danach frage, ob man auch Unterschiede feststellen kann, führt Noémi weiter aus: »Afrikanische und afrikanisch-stämmige Aktivist_innen müssen mit den unterschiedlichsten Formen kolonialer Leugnungen und Amnesie in Frankreich, der Schweiz und Deutschland umgehen. In Deutschland ist es zum Beispiel schwierig, auf die koloniale Vergangenheit aufmerksam zu machen, weil man sich hier auf den Zweiten Weltkrieg konzentriert. In Frankreich legt die Vorstellung einer »rassenlosen« Republik die Grenzen der Auseinandersetzung mit Fragen des Rassismus fest. In der Schweiz ist es das Verständnis des eigenen Exzeptionalismus, »l’exception suisse«, das den Gedanken einer kolonialen Unschuld nahelegt. In jedem dieser Zusammenhänge existiert eine Abschirmung gegen die Verbindung mit einer nationalen Sklaverei- und Kolonialgeschichte. Außerdem wirft das Ganze natürlich auch die Frage auf, welche neuen Namen denn stattdessen ausgesucht werden sollten...«

Das Thema der Umbenennung von Straßen und der Entkolonialisierung des öffentlichen Raums in Berlin hat für intensive Auseinandersetzungen gesorgt, insbesondere im letzten Jahrzehnt. Zweihundert Anwohner_innen und Gewerbetreibende haben gegen die Umbenennungen im Afrikanischen Viertel geklagt. Dennoch wurde im Dezember 2022 schließlich der Nachtigalplatz zum Manga-Bell-Platz und die Lüderitzstraße zur Cornelius-Fredericks-Straße (beide benannt nach afrikanischen Anführern im Widerstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft im heutigen Kamerun bzw. Namibia). Inzwischen erstreckt sich die Diskussion über die Grenzen des Weddings hinaus: die Umbenennung der Mohrenstraße in Mitte stellt ein weiteres Highlight in dieser kontroversen Debatte dar.

Ich frage: »Seit Beginn der Arbeiten an eurem Stück sind im Wedding inzwischen zwei Straßen umbenannt worden. Wie hat das die Inszenierung beeinflusst?«

»Im März hatten wie Aufführungen in Lausanne, aber das war unproblematisch, denn dort ist man weit weg von den politischen Debatten Berlins. Das wird natürlich ganz anders aussehen, wenn wir zum FIND kommen. Wir betrachten das Stück aber auch als ein zeitgenössisches Archiv der Debatten bis hin zum Jahr 2022«, erklärt mir Djedje.

Michel führt fort: »Die Dramaturgie des Stücks baut auf der Spannung auf, die aus dem Warten auf den Tag entsteht, an dem sich die Dinge ändern, diesem Wunschtraum der Aktivist_innen. Wir haben das Theater als Raum für die Fantasie der Entkolonialisierung benutzt. Jetzt fangen wir damit an, uns vom peut-être (vielleicht) zum être (sein) zu bewegen. Das Stück ist eine Hommage an die Stimmen, die das durch ihren Kampf ermöglicht haben...«

Cédric erzählt mir: »Die Umbenennungen ermöglichen ganz klar neue Perspektiven. Aber was für eine Zukunft ermöglichen sie? Wir können nicht behaupten, dass mit der Umbenennung einer Straße das Problem beseitigt wäre. Es ist nicht nur so, dass diese Diskussion auch in anderen Städte geführt werden müsste, in anderen Teile von Berlin müsste das auch passieren. Deshalb bauen wir in jede Vorstellung ein Gespräch mit einem/einer lokalen Künstler_in ein, in dem wir uns über die Auswirkungen unterhalten – darüber, was alles noch nicht erreicht wurde.«

Das Gespräch fand auf Französisch statt, ins Englische übersetzt von Joseph Pearson.

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<![CDATA[Darf ich bitten?<br> ...mit Tina Satter an der Schaubühne]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-house-of-dance.html Tue, 18 Apr 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-house-of-dance.html von Joseph Pearson

Die romantische Vorstellung des Stepptanzens ruft Bilder von Fred Astaire und Ginger Rogers wach, wie sie durch einen Art-Deco-Tanzsaal wirbeln, von Broadway-Castings für eine der begehrten Rollen im Musical »A Chorus Line« oder in der Radio City Music Hall, von zwei hoffnungsfrohen jungen Menschen, die über den »La La Land«-Lichtern von Los Angeles steppen. Der Stepptanz beschwört den Glanz des Wange-an-Wange-Tanzens herauf, Frack und Abendkleid, Federboas, Manschettenknöpfe und Schauspieler_innen, die aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz plötzlich anfangen zu singen. Der matte Glanz des Glamours der Alten Welt ist fürviele Menschen einer der Grundbausteine vonSpätabendprogramm-Filmen. Als ich noch ein kleiner Junge war, gehörten »Shall We Dance« (»Tanz mit mir«) und »Top Hat« (»Ich tanz mich in dein Herz hinein«) zum Silvester-Standardprogramm des öffentlich-rechtlichen FernsehensKanadas: man verabschiedete sich vom alten Jahr, als ob es einer fernen Vergangenheit angehörte.

Die Regisseurin Tina Satter, die das Stück »House of Dance« zum FIND 2023 an die Schaubühne bringt, erzählt mir: »Stepptanz ist anachronistisch, selbst in den USA. Er ist nicht so weit verbreitet wie zum Beispiel das Ballett. Stepptanz war immer eher etwas, womit man Kinder nach der Schule beschäftigen konnte. Trotzdem ist er immer noch mit demromantischen und erstrebenswerten Glanz des Showgeschäfts verbunden. Ich fand es spannend, mit dieser Vorstellung zu spielen, dass sich das eigene Leben plötzlich ändern würde, wenn man nur diese eine besondere Sache lernt. Dass es einen aus der Kleinstadt herausbringen würde. Das ist an sich schon überaus theatralisch und die Grundlage vieler Filme. Als wir bei den Proben damit anfingen, mit Kostümen, Zylindern und glitzernden Fracks zu spielen, hat das sofort das ganze Stück angehoben. Das ist das Showgeschäft! Das war eine ziemlich direkte Art und Weise, sich damit auseinanderzusetzen, was es für jemanden bedeutet, ein_e Künstler_in zu sein.«

Tina Satter hat schon mehr als nur ein glitzerndes Stück der zeitgenössischen Theaterwelt erlebt und auf derTheatererfahrungs-Wunschliste abgehakt: Ihre Arbeiten waren an experimentellen Spielstätten zu sehen, am Broadway und off-Broadway, und vor Kurzem feierte ihr Film zum Theaterstück »Is This A Room«, welches sie 2022 beim FIND vorgestellt hatte, auf der Berlinale Premiere. Ich frage sie, wie »House of Dance« entstanden ist.

Satter antwortet: »Das Stück »House of Dance« hat seinen Ursprung in einer Auftragsarbeit für Richard Maxwell und die New York City Players am Abrons Arts Center. Als wir dort die Treppe zur Spielstätte hinuntergingen, hatten wir das Gefühl, in ein altes Stepptanzstudio zu kommen, die Idee für das Stück begann also mit dieser ortsbezogenen Besonderheit, da es dort keine richtige Bühne gab. Das Stück, das sich daraus entwickelte, spielte sich dann sehr stark auf derMetaebene ab. Ich wollte, dass es in Echtzeit abläuft: Eine Gruppe von Menschen kommt eines Nachmittags zu einer Tanzprobe zusammen und erfreut sich daran, gemeinsam etwas zu gestalten. Außerdem wollte ich mit Schauspieler_innen arbeiten, nicht mit Stepptänzer_innen, die diese besondere Fertigkeit professionell praktizieren, deren Beherrschung jahrelange Übung erfordert. Von den Schauspieler_innen erwartet man, dass sie es so spielen, als würden sie es beherrschen, was dem Stück ein gewisses Gefühl von Verletzlichkeit verleiht. Dass sie hart daran arbeiten und alles daran geben müssen, diese Fertigkeit in relativ kurzer Zeit zu erlernen, macht das Ganze bewegend.«

Ich sage: »Wenn du von Erstrebenswertem sprichst und davon, Künstler_in zu sein, schwingt im Hintergrund auch immer die nackte ökonomische Realität mit. Dein Stück spielt in einer provinziellen Kleinstadt, nicht am bunt-strahlendenBroadway. In meinem Interview mit The Wooster Group vor ein paar Wochen habe ich die Frage gestellt, wie es um die wirtschaftlichen Aussichten des Nachwuchses der US-amerikanischen Avantgarde steht. Wie siehst du die Situation?«

Satter antwortet: »Die experimentelle Szene in New York schrumpft immer mehr zusammen. Es gibt dort Leute mit einer großen Begabung für das Experimentelle, aber die Art, wie sie arbeiten (überall außerhalb der Innenstadt), ist nicht mehr experimentell. Und der off-Broadway ist – ganz anders als der Broadway häufig darauf fixiert, was das Publikum verlangt, weil diese Theater auf Abonnement-Zuschauer angewiesen sind. Nach einer Probeaufführung wird das Publikum befragt, und wenn das Publikum verwirrt ist, teiltdie künstlerische Leitung dir das in ihren Anmerkungen mit und fordert Änderungen. Das Abonnement-Publikum zu bedienen und ohne staatliche Förderung zu arbeiten bedeutet, dass man einen kleinsten gemeinsamen Nenner klar verständlicher Kunst findet, der dem Rätselhaften oderExperimentellen wenig förderlich ist. Ich unterrichte und betreue häufig junge Autor_innen und Regisseur_innen, diemich dann fragen: Wie bekomme ich den Berufseinstieg hin? Aber die meisten Orte, die mir geholfen haben, gibt es nicht mehr.«

»Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht, ein Stück, das zuvor in New York mit amerikanischen Darsteller_innen aufgeführt wurde, an die Schaubühne zu bringen und mit deren Ensemble zu inszenieren?«

Satter antwortet: »Bevor ich zum ersten Mal hierher kam, war mir nicht klar, wie gut die technischen Fähigkeiten der Schaubühne-Darsteller_innen sind. Sie besitzen eine Körperlichkeit, die bemerkenswert ist. Für mich ist das ein ungewohnter Luxus, wenn mir meine Schauspieler_innen die verschiedensten Möglichkeiten anbieten, eine Szene zu gestalten. In den USA ist das wiederum eine Sache der Wirtschaftlichkeit. Wir haben dort keine Zeit, weil der Proberaum Geld kostet. Aber hier in Berlin haben wir die Zeit, miteinander zu spielen. Das ist sehr spannend.«

»Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig war, in Deutschland eine_n Stepptanz-Lehrer_in zu finden...«

»Sie war wirklich nicht leicht zu finden! Aber Christoph [Buchegger], der Produktionsleiter, hat ganze Arbeit geleistetund mich während der Bauprobe im November mit einer wirklich fantastischen Person zusammengebracht, einer ursprünglich aus Portugal stammenden Berliner Stepptanz-Lehrerin. Als ich dann im Frühjahr hier ankam, beherrschtendie Schauspieler_innen also schon die Grundlagen desStepptanzens und hatten schon sehr gute Konzepte für die Tanzeinlagen im Stück ausgearbeitet. Dafür bin ich wirklich dankbar!«

»Die andere offensichtliche Änderung betrifft den Raum. In der ursprünglichen Idee ging es um eine standortspezifischeInszenierung in New York. Wo finden eure Aufführungen in Berlin statt?«, frage ich.

 Sie antwortet: »Die finden im »Globe Theatre« [Saal C der Schaubühne] statt, und wir denken dabei immer an den Raum: Was bedeutet es, wenn das »Globe« zum Stepptanzstudio wird, und dieses dann nicht mehr in einer amerikanische Kleinstatt angesiedelt ist, weil hier deutsch gesprochen wird? Wir haben uns zusammen mit unserer Dramaturgin Bettina Ehrlich dann ein prächtiges Rathaus in einer Kleinstadt ausgedacht, das in ein Gemeindezentrum umgewandelt wurde.Der ehemalige Glanz des Raums ist verblasst, weil diese Stadt es sich nicht leisten kann, ihn wieder schick herzurichten. 

Wir wenden uns der Tongestaltung zu.

Sie erzählt: »Ich denke schon von Anfang an ständig darüber nach, wie Dinge aussehen oder sich anfühlen, und der Ton ist hier auch sehr wichtig. Der Tongestalter Chris [Giarmo] und ich arbeiten sehr eng zusammen. Ich wollte die diegetische Musik [=Musik, die von den Charakteren im Stück wahrgenommen wird] einer Tanzstunde, die Grundzüge einer von Henri [Maximilian Jakobs] gespielten Klavierbegleitung, um dann die Stimmung in gemeinsamen kurzen Gesangseinlagen über das Klassenzimmer hinweg zu heben. Chris hat dann also einen Soundtrack entworfen, für den er die sprechenden und singenden Schauspieler_innen aufgenommen hat, deren Stimmen dann in der Tongestaltung widerhallen – und so kommen sie alle zusammen.«

Zum Abschluss unserer Unterhaltung denken wir zurück an Tina Satters erste Inszenierung an der Schaubühne, »Is This A Room« beim FIND 2022. Das Stück war eine wortgetreue Nachstellung des FBI-Protokolls der Verhaftung der Whistleblowerin Reality Winner. Ich frage Satter, ob sie auch für »House of Dance« mit Textfundstücken gearbeitet hat.

Sie antwortet: »Als ich anfing, an diesem Stück zu schreiben und dafür online zu recherchieren, stieß ich auf ein paar Videos – wirklich schräges Zeug, sogar für die USA – einer Subkultur aus YouTube-Stepptanz-Lehrern, die wild monologisieren. Sieh mich an, ich stehe auf der Bühne! Ich übernahm eins dieser Videos wortwörtlich, und tatsächlich funktionierte das für die Schauspieler_innen irgendwie. Es gibt also eine Art Collage. Den größten Teil des Stücks habe ich erfunden. Aber die Wahrheit kann manchmal spannender sein, auf eine seltsame Art rhythmischer, als die Fiktion.«

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»House of Dance« feiert am 19. April beim FIND 2023 Premiere.

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<![CDATA[Ein Gespräch mit der neuen Generation des iranischen Theaters<br>Parnia Shams bringt »Ist« an die Schaubühne]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-ist.html Mon, 10 Apr 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-ist.html von Joseph Pearson

In dem Stück »است« (»Ast«, oder »Ist« auf Deutsch), das 2019 bei einem Universitäts-Theaterfestival seine Premiere feierte, geht es um brisante Themen wie Machtmissbrauch im Klassenzimmer und den Vorwurf der homosexuellen Begierde. Vier Jahre später sitzt Parnia Shams, die 1996 geborene Regisseurin der Inszenierung, in Teheran während ich ihr von Berlin aus Fragen stelle. In wenigen Wochen wird sich diese Distanz in Luft auflösen, wenn sie nach Berlin kommt, um »Ist« beim diesjährigen FIND an der Schaubühne aufzuführen.

Shams denkt an die erste Vorstellung in Teheran zurück: »Wir hatten geprobt, aber ohne Bühnenbild!«, erklärt sie mir. »Es kam erst zwei Stunden vor der Vorstellung bei uns an. Und Sie können sich vorstellen, wie nervenaufreibend das war, in dieser Situation das erste Mal mit der Bühnenkonstruktion zu arbeiten, sich da kurz vor der Premiere im Rahmen des Theaterfestivals kopfüber hineinzustürzen. Ich bin einfach in Panik geraten. Ich war so gestresst, dass ich mich in der Regiekabine, von der aus die Beleuchtung gesteuert wird, eingeschlossen habe und gesagt habe: Alle müssen jetzt weggehen, sofort!«

»Nach der Vorführung«, erzählt sie weiter, »war ich fast schon zuhause angekommen, als mich eine_r der Juror_innen des Festivals anrief und sagte, dass die Vorstellung gut war, und dass sie sich darüber unterhalten und dass ich vorbeikommen solle. Es fiel mir nicht leicht, dort hinzugehen, aber dann bemerkte ich, wie viele positive Rückmeldungen es zu der Vorstellung gab. Letztendlich gewannen wir auf dem Festival vier Auszeichnungen: für die Darstellung, die Regie, den Text – und das Bühnenbild!«

Shams erläutert, wie das Stück dann einen Monat lang in einer Spielstätte in Teheran aufgeführt wurde und später u.a. beim größten Theaterfestival in Iran, Fadjr, bevor es auf Europatournee ging, zuerst nach Brüssel zum Kunstenfestivaldesarts und dann ins Piccolo Teatro in Mailand.

»Wie sind Sie zur Teheraner Theaterszene gekommen?«, frage ich sie.

Sie antwortet: »Mein Bruder, der fünfzehn Jahre älter ist als ich, studierte an der Universität in Teheran Theater. Als ich noch jünger war, habe ich mitbekommen, wie er und seine Kommilitonen gemeinsam Proben organisiert haben. In dieser Gemeinschaft einer jungen Generation von Theatermacher_innen in Teheran aufzuwachsen hat meine Liebe für das Theater geweckt.«

Nach einigen schauspielerischen Arbeiten und ihrer ersten eigenen Inszenierung (»Tatavor«) im Jahr 2018, die mehrfach ausgezeichnet wurde, begann sie, an ihrem zweiten Stück zu arbeiten. »Ist« spielt in einer privaten Mädchenschule in Iran und schildert, was passiert, wenn zwei Mädchen einer Freundschaft beschuldigt werden, die als »abartig« angesehen wird.

Parnia Shams erklärt mir: »Wir haben das Stück 2018 entwickelt, während ich noch an der Universität studierte. Die meisten meiner Darstellerinnen hatten selbst gerade erst die Schule abgeschlossen. Die Nähe der Darstellerinnen zu ihren eigenen schulischen Erfahrungen war sehr wichtig. Ich selbst kannte diese Situation nur von außen und wollte, dass Leute, die da näher dran sind, dem Stück seine Authentizität geben.«

»Wie haben Sie den Text geschrieben?«, frage ich.

»Bis zu den Endproben hatten wir gar kein Textbuch«, erwidert Shams. »Stattdessen haben wir in der Gruppe die Erlebnisse – und Erinnerungen – der Darstellerinnen gemeinsam ausgearbeitet, um daraus ein Stück zu entwickeln. Wir haben kleine Szenen improvisiert und die Proben gefilmt – jeweils vier bis fünf Stunden – und basierend auf diesen Aufnahmen habe ich dann angefangen, die einzelnen Szenen für die Vorstellung zu schreiben. Es gibt allerdings auch ein paar Szenen, die ich von Anfang an dabei haben wollte. Die Grundidee, ein Stück über Mädchen zu machen, die sich bei Erwachsenen für etwas entschuldigen müssen, das sie gar nicht getan haben, nur um nicht von der Schule ausgeschlossen zu werden, hatte ich schon vorher.«

»Die Autoritätsfiguren sind allerdings in der Vorführung gar nicht zu sehen«, merke ich an.

»Das stimmt, und es gibt zwei Gründe, warum wir keine erwachsenen Figuren wie Vertreter_innen der Schule in die Inszenierung aufgenommen haben«, erklärt sie mir. »Ich hatte einerseits das Gefühl, dass das Szenarium ansonsten klischeehaft werden könnte. Aber es geht in dem Stück auch vor allem um die Vollstrecker_innen von Gewalt und Unterdrückung. Und diese nicht auftreten zu lassen, kann deren Gewalt umso sichtbarer machen. Durch diesen Ausschluss wird sie noch verstärkt. Man spürt ihre Gegenwart durch die Arbeit der Darstellerinnen – ihr Umgang miteinander unterscheidet sich je nachdem, ob die Erwachsenen dabei sind oder nicht, und dieser Unterschied macht die Macht der Vollstrecker umso stärker spürbar.«

»Das Ergebnis ist sehr naturalistisch«, stelle ich fest, »aber ich frage mich, wie Sie das erreichen. Naturalismus auf der Bühne ist ja eben alles andere als natürlich: er ist eben auch Einbildung...«

Sie entgegnet: »Ja, aber diese Umsetzung war viel unkomplizierter, als Sie sich das vielleicht vorstellen. Ich entschied mich dafür, mit Leuten zu arbeiten, die nicht besonders professionell waren, aber wir haben in den gemeinsamen Workshops sehr eng zusammengearbeitet. Ich selbst war auch nicht besonders professionell, wollte aber einen Raum schaffen, in dem alle zusammenkommen und sich wohlfühlen können. Die Dynamik zwischen den Darstellerinnen hat so funktioniert, dass alle das Gefühl hatten, das Stück gehöre ihnen. Und diese Mischung aus Arbeitsatmosphäre, gemeinsamer Verständigung und Beziehung hat bewirkt, dass es in dem Moment, wo man es auf die Bühne bringt, auch eine Eigendynamik entwickelt hat.«

Ich frage, inwieweit das Stück im Ausland anders aufgenommen wurde als in Iran.

»Das ist eine gute Frage. Unsere Darstellerinnen tragen alle Kopftücher, und das gehört für uns zur Standardschuluniform. Geschlechtertrennung in Schulen ist für uns auch völlig normal. Für ein europäisches Publikum war das allerdings schon etwas schockierender – ein Hindernis, das es ihnen erschwerte, sich den anderen Ebenen des Stücks zu öffnen. Diese vordergründige Ebene war für sie neu und ablenkend, aber es war auch etwas, worüber ich mir vorher noch nie Gedanken gemacht hatte oder das ich überhaupt als erwähnenswert erachtet hätte. Aber die Anmerkungen dazu, die wir erst in Belgien und dann in Italien bekommen haben, waren nützlich, und ich kann nachvollziehen, dass das Stück zuhause anders ankommt als im Ausland.«

»Ich kann mir aber auch vorstellen, dass der Druck in der Heimat ein ganz anderer ist, insbesondere im Zuge der Frauenprotestbewegung, die wir im letzten Jahr gesehen haben«, merke ich an und beziehe mich damit auf die Demonstrationswelle, die Iran im letzten Herbst nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini im Polizeigewahrsam erschüttert hat.

»Das war auch etwas, das wir während des Probenprozesses diskutiert haben. Wie würde unser Stück aussehen, wenn wir nicht die Möglichkeit zensiert zu werden in Betracht ziehen müssten; wenn wir nicht darüber nachdenken müssten, das Stück für ein öffentliches Publikum akzeptabel zu gestalten (weil die Behörden unsere Vorstellungen auf jeden Fall kontrollieren)? Genau genommen denke ich nicht, dass es sehr unterschiedlich ausfallen würde: Wir würden uns trotzdem mit denselben Themen auseinandersetzen, demselben Druck, derselben Obrigkeit im Schulsystem, demselben »Auge«. Was den Druck betrifft, fällt mir als Erstes ein, wie stark Covid die iranische Theatergemeinschaft getroffen hat. Die Theater waren die ersten Orte, die geschlossen wurden, und die letzten, die wieder geöffnet wurden. Und dann, als die Frauenprotestbewegung begann, wurden Theaterinszenierungen wieder gestoppt. Wegen dieser Unruhen und der wirtschaftlichen Turbulenzen im Land ist eine stetig geringer werdende Anzahl an Inszenierungen in Iran zu beobachten, weil sich die Leute in erster Linie einfach darum sorgen, arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.«

Shams führt weiter aus: »Momentan gibt es aber auch eine zunehmende Anzahl an Untergrund-Vorstellungen, weil es Leute gibt, die ihr kreatives Schaffen wegen der Zensur nicht mehr innerhalb des Systems verwirklichen wollen. Viele von ihnen möchten trotzdem gern gestalterisch tätig sein und einen Raum damit ausfüllen, und in diesen Untergrund-Vorstellungen befolgen sie nicht die Kopftuchregeln und können sagen, was sie wollen. Das ist nicht besonders öffentlich, wie man sich vorstellen kann. Es gibt dort ein kleineres Publikum, aber genauso wollen sie das auch haben. «

Die Deutschlandpremiere von »است« findet am 26. April 2023 statt.

Mit Dank an Raha Rajabi für ihre Übersetzungen aus dem Farsi ins Englisch

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<![CDATA[Nostalgisch, nicht sentimental<br>The Wooster Group als »Artist in Focus« an der Schaubühne]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/Pearson-wooster.html Mon, 03 Apr 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/Pearson-wooster.html von Joseph Pearson

The Wooster Group ist nach der Wooster Street im New Yorker Stadtteil SoHo benannt, in der sich das Theatergebäude der Kompanie befindet. In den 1970er Jahren war diese Gegend im Zentrum von Manhattan ein Zufluchtsort für Künstler, die die Fabriketagen südlich des Greenwich Village erwarben und sanierten. The Wooster Group machte sich einen dieser Orte zur Heimstätte und nannte ihn »The Performing Garage«. Viele Größen des amerikanischen Theaters – darunter Willem Dafoe, Spalding Gray, Steve Buscemi und Frances McDormand – haben ihre schauspielerische Karriere in der »Garage« vorangetrieben, in der post-dramatischen Revolution, deren Wegbereiterin die Gründungsintendantin Elizabeth LeCompte war.

»Dann beginnen die Dinge um dich herum sich zu verändern,« erzählt mir LeCompte. »Plötzlich ist überall Prada. Aber wir bekommen ihre alten Klamotten und zerschneiden sie. Ich gehe auch immer noch runter in die Canal Street um Rohre und Plastik einzusammeln. Für mich sind das alles Rohstoffe, ich bewerte das gar nicht.«

Die Wooster-Group-Darstellerin Kate Valk fügt hinzu: »Man muss das Ganze auch ökonomisch betrachten. Damit etwas stattfinden kann, muss es dafür einen Markt geben. Viele können es sich momentan nicht leisten, so zu arbeiten wie wir, die Zeit dafür aufzubringen und dafür einen Ort so lange zu haben, wie sie ihn benötigen. Sie bekommen das Geld dafür nicht zusammen, weil das, was sie machen, nicht als ein vermarktungsfähiges Produkt mit perspektivischer Wertsteigerung angesehen wird.«

The Wooster Group ist weiterhin ein Fixpunkt in der New Yorker Szene, gehört aber zu einer zunehmend seltener werdenden Spezies. Ihr Durchhaltevermögen und ihre Einzigartigkeit verweisen auf die künstlerischen Produktionsbedingungen in der amerikanischen Metropole – sie steht exemplarisch für New Yorks Talent und dynamische Kraft, aber auch für das Ausmaß, in welchem Marktkräfte die künstlerische Avantgarde gefährden. Wenn man sich mit amerikanischen Theatermacher_innen unterhält, kommt man schnell auf die Frage der Wirtschaftlichkeit zu sprechen. Ein rasanter Anstieg der Grundstückspreise hat zu einer teilweisen Verödung von Manhattan geführt, das zu einem Raster aus CVS-Apotheken und JP Morgan-Chase Bankfilialen geworden ist. Steigende Mieten bedeuten, dass sich Theater verkaufen muss, und kommerzielles Theater kann das leisten. Der Broadway erstrahlt mit Werbung für Musicals, und für extrem selten gewordene experimentelle Arbeiten braucht man eine_n Schauspieler_in mit hohem Bekanntheitsgrad, eine temporeiche lineare Handlung und das Versprechen einer kurzen Vorstellung. Unterdessen flüchten die begabten Nachwuchsschauspieler_innen und –regisseur_innen in die Welt der Streaming-Anbieter und deren ganz anderen Wettbewerbsdruck.

Es spricht für The Wooster Group, dass sie schon so lange Bestand hat und immer noch starke Eindrücke auf internationalen Bühnen hinterlässt. Der Einfluss, der von Elizabeth LeCompte und The Wooster Group seit über fünf Jahrzehnten ausgeht, ist kaum zu überschätzen, was sich auch darin widerspiegelt, dass die Schaubühne die Gruppe als Artist in Focus zum internationalen Theaterfestival FIND 2023 eingeladen hat. Ich frage Elizabeth LeCompte, wie sie es schaffen, nach wie vor zu bestehen und erfolgreich zu sein.

Elizabeth LeCompte erzählt mir: »Wir haben eins richtig gemacht: Wir haben 1973 den Raum für 80.000 Dollar gekauft.«

Kate Valk fügt hinzu: »Heutzutage gibt es sehr viel Druck. Die Immobiliensteuern steigen. Die Nachbarschaft ist für gewerbliche Zwecke restrukturiert worden. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir die »Garage« haben.«

LeCompte erläutert: »Deshalb können wir das machen, was wir tun. Ansonsten müsste man ein bekanntes Stück aufführen, damit sie einem das Geld dafür geben. Aber das ist eine heikle Situation. Die Zuschauer_innen wollen dann das ganze Drum und Dran sehen, was sie im Fernsehen und im Kino gezeigt bekommen.«

Zunehmende Spezialisierungen in der Ausbildung von Theaterleuten in Amerika haben auch ihre Auswirkungen: »Heutzutage gehen alle aufs College. Und jede_r studiert ein ganz spezielles Fach, zum Beispiel Fernsehschauspiel, um einen Job im Fernsehen zu bekommen. Oder Regie, um am Broadway zu landen...«

Valk wirft entsetzt ein: »Sie studieren experimentelles Theater!«

»Als ich zum Theater kam,« erinnert sich LeCompte, »war ich bildende Künstlerin. Die Leute experimentierten in den verschiedensten Kunstformen. Unsere frühen Stücke waren eine Art Aktionskunst.«

Das Gespräch bringt uns auf die zwei Bühnenstücke, die beim FIND 2023 aufgeführt werden. Das erste ist »A PINK CHAIR (In Place of a Fake Antique)« und basiert auf den Arbeiten des polnischen bildenden Künstlers und Theatermachers Tadeusz Kantor, der im Nachklang des Stalinismus nach einem Parisaufenthalt die Theatergruppe »Cricot 2« gründete.

LeCompte erzählt mir: »Es gab vieles an Kantor, was uns fremd war. Die Art, wie in seinen Stücken Sprache verwendet wurde – der heilige Ernst, mit dem die Inszenierungen betrieben wurden.«

Valk sagt: »Es hat eine Weile gedauert, bis wir seinen Humor verstanden haben.«

»Aber in der Übersetzung haben wir ihn dann entdeckt, zusammen mit seiner Tochter,« fügt LeCompte hinzu. »Ich meinte: Ich muss mich zusammen mit jemand anderem damit befassen. Holt mir seine Tochter her! Und sie war tatsächlich eine große Hilfe.«

»Dorota [Krakowska] nahm uns mit auf eine Reise, die den Geist ihres Vaters wieder heraufbeschwören sollte,« führt Valk weiter aus. »Statt einfach nur eine Hommage an einen männlichen Künstler zu produzieren, hatten wir mit der Tochter, die ihren Vater sucht, einen Anknüpfungspunkt.«

»Man bietet mir ständig Geld dafür an, dass ich Stücke über große männliche Künstler inszeniere,« lacht LeCompte. »Das ist echt witzig. Dann muss ich immer einen Weg finden das so umzusetzen, dass ich mich auf irgendeine komische Art damit identifizieren kann. Dorota war auch eine Außenstehende, die nicht von Kantors Theaterkompanie akzeptiert wurde, zum Teil weil sie ihrem großartigen Vater so nahe stand. Ich habe mich dann gar nicht so sehr mit Kantor identifiziert als vielmehr mit der gesamten Kompanie und deren Beziehung zu Kantor. Als Regisseurin erkenne ich mich aber auf beiden Seiten dieser Geschichte wieder.«

Valk erläutert: »Das Stück von ihm, das im Mittelpunkt unserer Inszenierung steht, ist »Ich kehre hierher nie mehr zurück«. Es ist eins seiner letzten Stücke, aber das erste, in dem er selbst auftrat. Alle Figuren seiner vorigen Stücke konfrontieren ihn darin, mit Bedürfnissen oder Sehnsüchten. Es ist seine Rückschau auf sein gesamtes Werk.«

Ich lenke das Gespräch wieder auf den »heiligen Ernst« der mitteleuropäischen Theatertradition und frage, wie sich die Sicht auf Kantor ändert, wenn das Material in die Hände einer New Yorker Theaterkompanie fällt. Ich merke an, dass es in der kontinental-europäischen Tradition zu oft eine bleierne Erwartungshaltung dahingehend gibt, dass ein Stück humorlos sein muss um ernst genommen zu werden.

»Ich kann einfach nicht anders als lustig zu sein, das ist Teil meiner Persönlichkeit,« sagt LeCompte. »Das gilt für uns alle: Wir sind Amerikaner_innen; Humor und Ironie machen einen großen Teil unseres Lebens aus. Diesen Urtrieb, diesen vererbten Instinkt, bringen wir in unsere Arbeit mit ein. Ich denke, wir beherrschen das Komische ganz gut.«

Valk sagt: »Unser Humor ist ziemlich selbstbezüglich. Es ist auch ein irgendwie kindlich verspielter, ordinärer Humor vermischt mit hochklassigem, vermischt mit einer Art Ernsthaftigkeit, die darauf hindeutet, dass wir nicht vorhaben, uns selbst allzu ernst zu nehmen.«

LeCompte fügt hinzu: »Ich habe gestern Abend den Rosenkavalier an der Metropolitan Opera gesehen, das war wahnsinnig lustig. Das ist der gleiche Humor, den wir bei Kantor entdeckt haben. Wir haben seine Ironie entdeckt. Seine als offenkundig prophetisch verstandenen Aussagen waren voller ironischem Humor. Das war für uns fantastisch.«

Neben zahlreichen Filmen präsentiert The Wooster Group auch noch ein zweites Theaterstück beim Festival, »NAYATT SCHOOL REDUX«, das auf einer Inszenierung von LeCompte aus dem Jahr 1978 basiert, in welcher der berühmte Monologschauspieler Spalding Gray in einer seiner frühen Rollen zu sehen war.

Grays eigene Geschichte ist eine tragische, und es lohnt sich, vor dem Besuch dieser Inszenierung einen Blick darauf zu werfen: Seinen Mutter beging 1967 Selbstmord; sein eigener folgte 2004, als er sich in einer depressiven Phase von der Staten-Island-Fähre stürzte. Ich vermute, dass das Wiederaufgreifen einer Inszenierung in Abwesenheit ihres Hauptdarstellers und eines Gründungsmitglieds kein einfaches Unterfangen war.

Aber LeCompte erzählt mir: »Ob es sehr schwierig war? Ich habe es nicht als problematisch in Erinnerung. Ich war damit beschäftigt, einen Weg zu finden, das Stück zu präsentieren, Probleme zu lösen, und das war von den schmerzhaften Erinnerungen weit entfernt. Ich habe mich wieder erinnert, wie wunderbar das Stück ist, dass ihm etwas Fröhliches innewohnt, auch für uns.«

Valk merkt an: »Liz ist nicht sentimental.«

LeCompte stellt klar: »Ich bin nostalgisch, nicht sentimental.«

Valk erläutert: »Ich fand es gut, ein wenig in Nostalgie zu schwelgen, über die Zeit zu reden, in der ich zu The Wooster Group gekommen bin, und das hat mir dabei geholfen, Spaldings Rolle in dieser Inszenierung auszufüllen. Ich finde es faszinierend, wie lange das nun her ist, dass wir daran gearbeitet haben: wenn man sich überlegt, was Liz und die Gruppe in den späten 1970er Jahren gemacht haben. Zurückblickend waren das wilde Zeiten. Mein Gott, haben wir das wirklich gemacht?«

LeCompte entgegnet: »Es gibt auch gewisse Überlagerungen. Manchmal ist das alte Stück nur gerade so hinter dem neuen Stück sichtbar, manchmal gar nicht. Manchmal ist es heimlich da. Wie bei einer alten Musikkassette, bei der man im Hintergrund die früheren Aufnahmen vage mithören kann.«

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<![CDATA[FIND 2023<br>Kuro Tanino am Meer »Fortress of Smiles» zum FIND 2023 an der Schaubühne]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/Pearson-fortress-of-smiles.html Mon, 27 Mar 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/Pearson-fortress-of-smiles.html von Joseph Pearson

Die Küste des Japanischen Meeres ist eine Berglandschaft: Vom Ufer aus sind gewaltige Gipfel zu sehen, die vielerorts fast bis ans Wasser heranreichen. Erst 2015 wurden die Bezirkshauptstädte Kanazawa und Toyama mit Hilfe von Shinkansen, japanischen Hochgeschwindigkeitszügen, mit der Landeshauptstadt verbunden. Jetzt kann man im Vorbeirauschen auf die riesigen Meereswogen und die kleinen Fischerdörfer einen Blick aus der Geborgenheit eines makellosen Zugabteils heraus werfen, so wie ich es tue, während ich diese Vorschau schreibe. Trotz der futuristischen Infrastruktur entsteht der Eindruck, dass diese Region immer noch sehr viel isolierter ist und viel weniger mit Kommerz und Konsum verbunden als die Metropolen Osaka und Tokio. Seit vielen Jahren ziehen die jungen Menschen in die Großstädte und lassen die älteren Menschen zurück, was die Gemeinden langsam entvölkert. Die Distanz zwischen der Hauptstadt und der Provinz ist ein roter Faden, der sich durch Kuro Taninos 笑顔の砦 (»Fortress of Smiles») zieht. Tatsächlich stammt der Regisseur aus Toyama, und in dem Stück, welches er zum FIND 2023 mitbringt, wird eine kleine Gemeinde entlang dieser Küstenlandschaft abgebildet.

Tanino erzählt mir: »Ich wollte den Schmerz und die Freude darstellen, die sich von denen einer Großstadt unterscheiden. Ich wollte jene kleinen, schlichten und oft übersehenen Momente zum Ausdruck bringen, die eine gewisse Schönheit in sich tragen. Die Gegend um Toyama, wo ich meine Kindheit verbracht habe, liegt direkt am Meer und ist ein einträgliches Fischfanggebiet. Ich bin auch nicht weit vom Meer aufgewachsen und habe ein einfaches Leben kennengelernt. Ich glaube, dass mein ganz spezielles Zeitempfinden von den Erfahrungen geprägt ist, die ich mit dem Verlassen meiner ländlichen Heimat Toyama in jungen Jahren und dem Leben allein im Großstadtgewirr von Shibuya gesammelt habe.«

Diese Betonung des einerseits ländlichen und andererseits städtischen Japan taucht immer wieder in seinen Arbeiten auf. Das Stück »Avidya, No Lights Inn« (2015), das 2018 auf dem Festival d’Automne in Paris aufgeführt wurde, dreht sich zum Beispiel um Gäste aus Tokio in einem Hotel auf dem Land. Weil er erwähnt hat, dass sich sein Studio in einem der belebtesten Orte seines Landes befindet (Shibuya, Tokio), ergibt sich für mich die Frage, wie persönlich diese Beobachtungen eigentlich sind.

»Auf dem Land gibt es Freuden, die in großen Städten nicht existieren und die sich dort auch nicht umsetzen lassen,« antwortet er. »Nämlich die Fülle der Natur im eigenen täglichen Leben zu ahnen und zu spüren, dass man als Mensch ein Teil davon ist. Dieses bescheidene Selbstwertgefühl bewirkt eine Transformation der Zeit im Theaterraum.«

Als Besucher in Japan möchte ich wissen, welchen Einfluss das lokale Umfeld auf Beziehungen in seinem Stück hat. Tanino hat mir bereits erzählt, dass es in dieser Inszenierung kulturspezifische Elemente gibt, wie zum Beispiel »ein Gespür für den Abstand zwischen Menschen«, die er einzigartig findet: »Es ist sehr japanisch, den richtigen Abstand zwischen einzelnen Menschen anhand von Familien-, Freundschafts- und Arbeitsbeziehungen, Alter, Geschlecht und allen möglichen anderen Faktoren einzuschätzen.« Also formuliere ich meine Frage folgendermaßen: Wie passt diese Arbeit in die japanische Tradition, sowohl die herkömmliche als auch die zeitgenössische? Aber vielleicht spielen solche Überlegungen für ihn in seinem Theaterschaffen auch gar keine Rolle...

»Darüber habe ich nie nachgedacht,« erwidert Tanino, »Und das hat auch seinen Grund. Es liegt daran, dass ich mich fortwährend bemühe, meinen Stil zu verändern. Man könnte das auch als immanenten Selbstzerstörungstrieb bezeichnen. Ich möchte mich selbst nicht festlegen, und meine Arbeit auch nicht. Zumindest kann ich auf diese Weise der Gefahr entgehen, mich selbst zu hassen. Es trifft allerdings auch zu, dass in mir – auf unterbewusster oder DNA-Ebene – ein unzerstörbares »Japan« existiert. Ich will es gar nicht leugnen oder abstreiten, aber ich werde mich auch nicht damit aufhalten, es zu analysieren...«

Ich frage: »Könnten Sie uns denn dann von den Ursprüngen der Idee für dieses Theaterstück erzählen?«

Tanino wollte eine bestimmte Art älteren Mann – japanisch »ossan« – auf die Bühne bringen: »Eine verantwortungslose, egoistische Person, die sich ethisch-moralisch nicht verbessern kann, die nicht gesellschaftstauglich ist, kein Interesse an Gemeinschaft oder der Welt hat. Jemand, der von der jüngeren Generation einfach ignoriert oder abgelehnt werden würde. Ein »erbärmlicher alter Mann« in der japanischen Gesellschaft, der als nutzlos angesehen wird. Wer schenkt solchen »alten Männern« überhaupt irgendwelche Beachtung? Ich. Also habe ich sie zum Thema des Stücks gemacht.«

Ich frage ihn, wie er mit den Schauspieler_innen umgeht, die diese Rollen verkörpern, und er fährt – jetzt lachend – fort, dass er sie genauso anleitet, wie man »einen Bonsaibaum pflegt... es geht darum, der Kraft der Natur zu vertrauen, und ums Warten. Es geht darum, etwas sehr stark zurückzuschneiden: Regie zu führen, aber auf ein Minimum beschränkt.« Er führt weiter aus, dass er als Bühnenautor häufig seine Konzentration auf bestimmte Aspekte der Regie – er selbst nennt es »Besessenheit« – im Zaum halten muss. »Diese Obsession oder Fixation verursacht während der Proben jede Menge Probleme. Das Bild des »Aufziehens eines Bonsaibaums« – dass ich der Natur vertrauen und warten, und das Regieführen auf ein Minimum beschränken muss – rufe ich mir immer wieder in Erinnerung, um diese Probleme zu vermeiden.«

»Und was ist mit dem Titel Ihres Stücks, »Fortress of Smiles«?«, frage ich.

Der Regisseur antwortet, dass die Gesellschaft, die er darstellt, isoliert ist, was von der Vertrautheit des täglichen Lebens versinnbildlicht wird: »Ich wollte damit meinen Wunsch ausdrücken, diese kleine Gemeinschaft gegen äußeren Druck zu schützen.«

Die Handlung des Stücks entfaltet sich in zwei Häusern in einer ländlichen Gemeinschaft. In einem Haus leben ausgelassene Fischer, in einem anderen eine alte Frau mit nachlassenden geistigen Fähigkeiten, die von ihrer Familie unterstützt wird, einschließlich einer Enkelin, die widerwillig aus der Großstadt angereist ist. Tanino stammt aus einer Familie von Psychiatern; er selbst hat den Beruf auch studiert und ausgeübt.

»Meine persönliche Vorgeschichte als Psychiater hat das Stück zweifelsohne auf vielfältige Art beeinflusst. Ich habe aber niemals jemandes Geist unter analytischen Gesichtspunkten betrachtet. Ich glaube einfach nicht daran, dass die menschliche Komplexität etwas ist, was sich analysieren lässt. Ich betrachte auch Demenz nicht aus medizinischer Perspektive. Alle Formulierungen, welche die ältere, von Demenz betroffene Frau in dieser Inszenierung gebraucht, sind Sachen, die meine Großmutter gesagt hat. Die Unterhaltungen zwischen meiner Mutter und meiner von Demenz betroffenen Großmutter, die ich beobachten konnte, haben diese Inszenierung maßgeblich geprägt.«

Im Bühnenbild sind diese beiden benachbarten Häuser mit vielen Details ausgestattet, wie Ölgemälde oder lebende Bilder. Taninos Arbeiten sind bekannt für ihre Bühnenausstattungen – er hat mir Zeichnungen seiner Bühnenbilder und Requisiten geschickt, die unten zu sehen sind. Der Bühnenbildner Takuya Kamiike, der auch in einem kleinen Ort am Meer lebt, hat viele der Requisiten auf Ausflügen zu Fischereihäfen gefunden. Einige Teile bestehen aus umfunktioniertem Altholz, und die Fusumas, also die Schiebetüren aus Papier und Holz, sowie die Tatami-Matten stammen aus verlassenen Wohnhäusern.

In diesen Räumlichkeiten wird das Leben ganz normaler Menschen beschrieben, doch Tanino macht sich Naturalismus einerseits zu eigen und verwirft ihn zugleich, wie er selbst sagt: »Ich versuche, ein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, so dass keine übermäßig einseitige Darstellung passiert. Und diese Einschätzung hat nichts mit richtig oder falsch, gut oder schlecht zu tun, sie basiert vielmehr darauf, ob ein gewisser Humor vorhanden ist, ob es etwas gibt, worüber man lachen kann. Es stimmt, dass ein Teil von mir auf Naturalismus zurückgreift und ein anderer Teil ihn ablehnt, aber ich sehe das mit bzw. als eine Art von Humor. Und der kommt, glaube ich, aus meinem immanenten Selbstzerstörungstrieb.«

Mit Dank an Aki Naito für seine Übersetzungen aus dem Japanischen.

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<![CDATA[FIND 2023<br>Zwischen den Zeilen mit der Shakespeare’s Wild Sisters Group]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/Pearson-dear life.html Mon, 20 Mar 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/Pearson-dear life.html von Joseph Pearson

Ich bin zufälligerweise gerade in Taiwan, als die Schaubühne mich bittet, Wang Chia-ming zu interviewen, den Regisseur der avantgardistischen Theaterkompanie Shakespeare’s Wild Sisters Group aus der Hauptstadt Taipeh. Die Gruppe schickt mir ein Foto von ihrer unscheinbaren Eingangstür in einer dritten Etage, die ich durch ein Wirrwarr aus Schaufensterpuppen und Perücken in einem belebten Bekleidungsmarkt ausfindig mache. Es scheint wie ein Zaubertrick, dass ich mich hier hinter all dem hektischen Großstadtgetümmel plötzlich in einem weitläufig ausgelegten, mit Hartholz verkleideten Probenraum wiederfinde, und in den Büroräumen der Kompanie, die ein klein wenig über der Metropole zu schweben scheinen. Ich werde von Chia-ming, seinem Dolmetscher und weiteren Mitgliedern der Kompanie empfangen, und nach gegenseitigen höflichen Verbeugungen beginnen wir unsere Unterhaltung.

Wang Chia-ming ist expressiv und bedacht, sein Gesicht abwechselnd von Lächeln und Ideen überzogen. Die Tatsache, dass er einen kanadischen Text als Grundlage für das Theaterstück »親愛的人生« (»Dear Life«) genommen hat, macht mich neugierig. Der gleichnamige Kurzgeschichtenband stammt von der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro, und die darin beschriebenen Landschaften sind mir geläufiger (meine Familie lebt in Vancouver) als die satt-grünen Berge Taiwans, die wie tropische Plüschmonster aussehen, oder die glitzernde Enge von Taipeh. Wang Chia-mings »Dear Life« kam 2019 zum Festival d’Automne in Paris erstmalig nach Europa, und beim FIND 2023 wird das Stück seine Deutschlandpremiere feiern.

Er erzählt mir: »Kanada ist weit entfernt von uns, aber Ihnen ganz nah. Ich habe Geografie studiert und denke, dass die geografischen Unterschiede zwischen Taiwan und der von Munro beschriebenen Kulisse sehr groß sind. Die Jahreszeiten, die Landschaften – das alles ist sehr verschieden, nicht nur die Temperaturen. Ursprünglich wollte ich einfach Munros Geschichten auf die Bühne bringen, aber dann habe ich mir überlegt: Wie kann man diese Schauspieler bei all den Unterschieden in dieser von Munro geschaffenen Kulisse vor ein taiwanesisches Publikum treten lassen? Vielleicht ist es besser, wenn wir die Geschichten für Taiwan neu schreiben.«

Es begann für ihn aber nicht alles mit Alice Munro. Wang Chia-ming wusste, dass er vier Geschichten an einem Abend erzählen wollte, jede dreißig Minuten lang. Die Erzählweise von Alice Munro – von der er fast alles gelesen hat – lieferte dafür das treffende, beinahe Tschechowsche Medium.

»Ich habe etwas in ihrer Herangehensweise an Beobachtungen gesehen. Die Unterschiede zwischen dramatischem und erzählendem Schreiben, wie bei Kurzgeschichten, sind enorm in Bezug auf die Menge der Informationen, die in einer Vorführung verbal kommuniziert werden kann im Vergleich zu einem literarischen Werk. Was mich an Munro fasziniert hat, ist die Anzahl der Lücken oder Leerstellen in ihrem Erzählstil: Sie erlaubt den Leser_innen, ihre eigenen Geschichten zu entwerfen. Sie schreibt oft über die Landschaften. Das Beschreiben der Umgebung, zum Beispiel von Räumen oder Gegenständen, bringt uns den Figuren näher. Das erinnert mich an klassische chinesische Literatur, insbesondere die lyrische Tradition, in der wir häufig den Schauplatz beschreiben, damit das Publikum die Emotionen, die hinter dieser Szenerie stecken, verstehen kann, ohne dass über diese Emotionen direkt gesprochen wird.«

Dann verweist er auf ein Zitat aus den »Herbstgedanken« des Dichters und Dramatikers Ma Zhiyuan aus dem 13. Jahrhundert, »vertrocknete Reben, alter Baum, dunkle Krähen, kleine Brücke und strömendes Wasser«, als Beispiel für die hermetische, poetische Offenheit, die er anstrebt.

»Weil jede Geschichte nur dreißig Minuten lang ist,« erzählt er mir, »überlege ich mir jede Szene im Sinne dieser Gedichte. Wie kann ich ein kurzes Textbuch schreiben, das dennoch eine Menge Informationen zur Verfügung stellt, eine bestimmte Atmosphäre unter den Schauspieler_innen auf der Bühne erzeugt und genügend Leerräume für die Vorstellungskraft der Zuschauer_innen lässt? Bei der Auswahl einiger Geschichten aus Munros Buch habe ich die Schauspieler_innen gebeten, diese auf der Bühne durchzuspielen, damit wir sehen können, was genau das Minimum an Informationen ist, das wir dem Publikum geben müssen, damit es versteht, was auf der Bühne passiert. Und dann gibt es natürlich auch einen riesigen Unterschied in der erlebten Zeit beim Lesen von Erzählliteratur und im Theater...«

Chia-ming holt ein großes Stück Papier hervor, auf dem er vier Diagramme skizziert, von denen jede eine der vier Geschichten der Inszenierung repräsentiert. Sie erinnern an eine grafische Partitur.

»Die vier Geschichten sind nicht durch ihre Handlung miteinander verbunden, sondern eher musikalisch: Die Verbindung ähnelt einer musikalischen Struktur. Jedes Schema verweist sowohl auf die Bewegung der Schaupieler_innen auf der Bühne als auch auf die Dichte der Wörter, die sie verwenden. Auf diese Weise ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Sehen und Hören. Die erste der vier Geschichten erinnert an eine Kamerablende, die in vierzehn Einzelteile untergliedert ist. Bei der zweiten gibt es viele runde Tische auf der Bühne, um die herum sich Personen in einer geschwungenen Linie bewegen. In der dritten steht jemand in der Mitte ohne sich zu bewegen, während die vierte die vorherigen drei Schemata miteinander kombiniert. Das Ganze ergibt eine symphonische Struktur.«

Chia-mings Textbuch lässt Munros Handlung nicht in der örtlichen Besonderheit einer ländlichen Gemeinde in Ontario oder der Einsamkeit einer Großstadt in British Columbia spielen. Stattdessen entscheidet er sich für Taoyuan, eine eigenständige Stadt aber praktisch ein Vorort von Taipeh, in dem sich der internationale Flughafen befindet.

»Eigentlich ist dieser Ort ganz nah gelegen, er grenzt direkt an unsere Stadt, aber trotzdem kennen wir ihn überhaupt nicht, weil er überhaupt nicht touristisch ist. Wir sind eher mit Hualien oder Tainan oder anderen taiwanesischen Großstädten vertraut als mit so einer nahegelegenen Stadt. Aber wenn man den Flughafen verlässt, landet man in Taoyuan. Es ist ein sehr ungemütlicher Ort. Man fährt da nur hin, wenn man verreist. Wir fliegen immer vorbei, aber halten uns dort nie auf.«

»An diesem Ort versuche ich, das Augenmerk mehr auf weiblichen Figuren zu legen. Ich versuche auch, dem Textbuch etwas hinzuzufügen, mit dem die Schauspieler_innen vertraut sind, aber auch etwas, mit dem sie weniger vertraut sind. Für den Kontrast. In Munros Erzählung gibt es eine Szene, in der eine Frau mit dem Bus auf dem Weg ins Gefängnis ist um ihren Mann zu besuchen. Ich habe daraus ein Mädchen gemacht, das mit dem Bus in diesen Vorort von Taipeh zum Grab ihrer Mutter fährt. Trotzdem haben beide Geschichten etwas gemeinsam, was sehr oft bei Munro vorkommt: Die Reihenfolge, in der sie etwas schreibt, suggeriert häufig, dass irgendwann später etwas passieren wird, es hat aber tatsächlich schon stattgefunden.«

Wir haben uns jetzt schon über eine Stunde lang unterhalten und ich möchte meine Gastgeber nicht zulange beanspruchen. Auch freuen wir uns darauf, uns schon in einem Monat auf einem anderen Kontinent wiederzusehen. Trotzdem frage ich noch: »Gibt es irgendetwas, über das wir reden sollten, was wir noch nicht erwähnt haben?«

Wang Chia-ming lacht: »Ich hinterlasse Ihnen ein paar Leerstellen, damit Sie diese mit Ihrer Vorstellungskraft ausfüllen können.«

 

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<![CDATA[Aus Liebe zu Schauspieler_innen<br>Thomas Ostermeiers Inszenierung von Tschechows »Die Möwe« an der Schaubühne]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-moewe.html Tue, 21 Feb 2023 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-moewe.html von Joseph Pearson

Tschechows Stück über das Stückeschreiben bietet sich für Insiderwitze geradezu an. Beispielsweise wenn man die Rolle des namhaften Schriftstellers Trigorin mit Joachim Meyerhoff besetzt, einem renommierten Autoren. Oder die Rolle des jungen Konstantin, alias Kostja, der das Stück im Stück schreibt, mit Laurenz Laufenberg, Verfasser des Stücks im Stück dieser Inszenierung. Oder die Rolle der Nina mit Alina Vimbai Strähler, nur wenige Jahre nachdem diese mit Ninas Rede aus dem letzten Akt für das Ensemble der Schaubühne vorgesprochen hat.

Anton Tschechows 1895 entstandenes Stück »Die Möwe« spielt in einem Landhaus im Russland der Zarenzeit. Der junge Kostja schreibt an einem Schauspiel, das er selbst als innovativ versteht, und das von Nina, einem Mädchen vom benachbarten Landsitz, in das er verliebt ist, aufgeführt wird. Das Stück kommt bei den älteren Teilen seines Publikums nicht gut an, insbesondere seine Mutter, die pompöse Schauspielerin Arkadina (gespielt von Stephanie Eidt) und der nur auf seinen Vorteil bedachte Schriftsteller Trigorin verschmähen es. Das führt zur Krise und zur Tragödie. Als Tschechow »Die Möwe« schrieb, war er selbst beschwingte 35 Jahre alt, und sein Kostja ist ein Verfechter der »neuen Form« dramatischer Dichtkunst. Es überrascht kaum, dass die moralische Ambivalenz des Stücks – das Verzichten auf didaktische Vermittlung und andere literarische Elemente des 19. Jahrhunderts – das zeitgenössische Publikum bei der Premiere irritierte. Die Erstaufführung war eine Katastrophe.

»Die Möwe« wird gelegentlich als Stück diskutiert, in dem es um einen Konflikt zwischen verschiedenen Generationen von Theatermacher_innen geht, aber Ostermeiers Schaubühnen-Inszenierung aus dem Jahr 2023 bemüht sich nach Kräften, das Stück aus einer anderen Blickwinkel anzugehen: man spricht hier über Liebe.

Ich treffe die leitende Dramaturgin der Schaubühne und Theaterautorin Maja Zade, die mir erzählt: »Wir betrachten die Liebe und ihre Variationen, ihre verschiedenen Schattierungen, beispielsweise ob man frisch verliebt ist, oder ob sie erwidert wird oder nicht. Wir versuchen, bei diesen Unterschieden ganz genau hinzusehen. Dass wir uns auf die Liebe und auf die Schauspieler_innen konzentrieren, ist eine ganz bewusste Entscheidung. Wir hantieren mit Schauspieler_innen und mit Text. Menschen agieren zusammen in Szenen.«

Die Figuren in Tschechows Stück suchen für gewöhnlich dort nach Liebe, wo sie ihnen verwehrt wird, und weisen sie zurück, wenn sie ihnen dargeboten wird. Zade verweist auf das Paradebeispiel: die Beziehung zwischen dem ambitionierten Kostja und seiner arrivierten und berühmten Mutter Arkadina.

»Ich glaube, dass Kostjas Beziehung zu seiner Mutter von zentraler Bedeutung ist: die Liebe seiner Mutter zu wollen und sie nie ganz zu bekommen. Wir können davon ausgehen, dass sie als berufstätige Mutter nicht immer für ihn da war. Und dass das der Grund dafür ist, dass er sein Liebesbedürfnis mit den Emotionen eines kleinen Kindes ausdrückt, den Eifersuchtsanfällen gegenüber Trigorin. Nicht nur, weil Trigorin ihm die Mutter wegnimmt, sondern auch, weil sich Trigorin schlechterweise auch noch in Nina verliebt. Kostjas Liebe zu Nina ist auch mit seinen kreativen Ambitionen verbunden. Als Schauspielerin erfüllt sie seinen künstlerischen Traum. Am Ende ist Kostja wegen dieser beiden Dinge verzweifelt: Seine Mutter achtet ihn nicht als Künstler, und Nina ist weiterhin in Trigorin verliebt und kann sich immer noch der Hoffnung auf eine schauspielerische Karriere hingeben, während sich Kostjas Träume in Luft aufgelöst haben. Er begreift, dass er weder Liebe auf privater Ebene, noch Erfolg auf künstlerischer Ebene erfahren wird. Und beides zerbricht ihn. Aber diese zwei Dinge stehen zueinander in Beziehung: Man erkennt, dass diese Figuren Kunst erschaffen, weil sie geliebt werden wollen.«

Ich erwidere: »Lass uns noch einmal auf den Moment am Anfang des Stücks zurückkommen, in dem Kostja mittels seiner Kunst einen Schritt auf seine Mutter zugeht: das Stück, das er im ersten Akt den anderen Schauspieler_innen vorspielt. Ich habe nicht den Eindruck, dass Tschechow sich über Kostja lustig macht. Ich habe aber das Gefühl, dass Kostja als Künstler sehr unerfahren ist und sein Potenzial noch entwickeln muss. Tschechow lässt Kostja ein symbolistisches Stück schreiben, aber das kann in einer Inszenierung, die im Jahr 2023 angesiedelt ist, wohl kaum als Herausforderung gelten. Wie löst ihr dieses Problem in euerm Stück?«

Zade entgegnet: »Die Sache mit dem Theaterstück ist ganz schön knifflig. Man will es ja schon der Gegenwart anpassen, aber die heutigen Konflikte spielen sich eben nicht zwischen Naturalismus und Symbolismus ab. Man möchte da schon geschickt mit umgehen, aber eben nicht zu offensichtlich. Laurenz hat diese Herausforderung tatsächlich angenommen und das Stück im Stück selbst geschrieben und großenteils unabhängig mit Alina geprobt.«

»Ich habe gehört, dass ganz allgemein den Schauspieler_innen in dieser Inszenierung viel Freiheit beim Erarbeiten ihrer Zeilen gelassen wurde, quasi in einer Abkehr vom Regietheater in Richtung Stückentwicklung,« füge ich hinzu.

»Ja, es gab einen Anpassungs- und Neuschreibungs-Prozess, wie wir ihn noch nie vorher hatten. Üblicherweise bereiten wir eine Textfassung im Voraus vor und gehen dann damit in die Proben. Aber hier haben die Schauspieler_innen ihre Texte umformuliert, mit der Maßgabe, so nah wie möglich am Original zu bleiben aber mit der Freiheit, sie persönlicher zu gestalten. Ich fand es interessant zu sehen, wie die Schauspieler_innen damit umgegangen sind: Manche haben nur ein, zwei Wörter verändert, andere wiederum haben sich richtig ins Zeug gelegt. Das schafft ein Gefühl von Mitautorschaft an dem Stück. Und man muss natürlich ganz viel mit den anderen Darsteller_innen über die eigenen Änderungen reden, denn das, worum es in der Szene eigentlich geht, kann sich sonst ganz schnell ändern.«

Ich erwidere: »Das muss für die Dramaturgin der Inszenierung ganz schön zeitaufwendig sein...«

Zade antwortet: »Ja, mehr als gewöhnlich. Wir hatten ursprünglich angenommen, dass das Textbuch in zwei Wochen stehen würde, aber am Ende hat es viel länger gedauert. Die Schauspieler_innen müssen ja vieles eher auf der Bühne ausprobieren als auf dem Papier. Unterdessen sitze ich buchstäblich mit zwei verschiedenen Versionen daneben – der Tschechow-Übersetzung und unserer Fassung – und behalte im Auge, ob die Wörter zu weit vom Original abweichen. Für Thomas [Ostermeier] ist das eine sehr lockere und großzügige Art der Regieführung – zu sagen: der Text ist auch dein Verantwortungsbereich.«

Wir sprechen auch über die technischen Gesichtspunkte der Inszenierung. Ostermeier hat »Die Möwe« schon früher auf die Bühne gebracht, 2013 in Amsterdam und 2016 in Lausanne. Doch diese Version ist eine völlig neue, inklusive des Bühnenbilds, das eine neue Sitzanordnung im Saal B beinhaltet, bei dem die Hälfte des Zuschauerraums abgesperrt wird und die Zuschauer_innen im Kreis auf der Bühne sitzen. Ein riesiger Baum beherrscht den Raum und erhebt sich über dem Publikum. Das schafft eine ziemlich vertrauliche Atmosphäre.

»Man ist unglaublich nah an den Schauspieler_innen dran, was auch für das Schauspielen eine große Herausforderung darstellt. Alles muss um so vieles genauer und kleiner sein, in dem Maße, dass es gar nicht mehr theatralisch wirkt,« sagt Zade.

»Was ich an Tschechow mag,« sage ich, »sind die ungeheuer intimen Welten, die seine Figuren mit nur wenigen Zeilen erschaffen – .«

»Ja, wir haben viel darüber gesprochen, dass seine Szenen impressionistisch sind. Es gibt einen kleinen Farbtupfer, aber darunter lauert ein Eisberg. Ein winziger Moment, eine klitzekleine Szene, die im Nu vorbei ist, aber es steckt so viel dahinter.«

Sie fährt fort: »Ich glaube, ›Die Möwe‹ ist sein bestes Stück. Das liegt daran, dass es viel dichter ist als die anderen. Es passiert viel mehr, ist viel rasanter. Es ist unglaublich, wieviel Hintergrundgeschichte jede einzelne Figur hat. Selbst kleinere Figuren sind scheinbar vollständig ausgearbeitet. Das ist uns klar geworden, als wir mit dem Umformulieren anfingen. Sobald man etwas hinzufügt, löst sich der Rhythmus auf. Da bemerkt man erst, wie gut das Stück ist: sein Rhythmus, sein Tempo. Ich glaube, wir haben tatsächlich nichts gekürzt – was man normalerweise machen würde – weil sonst etwas verloren gehen würde. Es ist ziemlich kurz, weil es ziemlich rasant ist, man muss also gar nichts loswerden. Es ist ein Klischee, dass alle Regisseur_innen, die das Stück inszenieren, sagen, es sei eine Komödie. Aber immer wenn ich es gesehen habe, war es das gar nicht. In unserer Version ist es sehr humorvoll. Das ist das Geniale daran: Es ist tottraurig aber trotzdem wahnsinnig witzig. Man erkennt sich selbst wieder und entdeckt, wie der Schmerz und das Komische miteinander verwoben sind.«

So wunderbar es auch gearbeitet sein mag, jedes Stück, das 1895 geschrieben wurde, aber in unserer Gegenwart angesiedelt ist, dürfte unter der Übertragung leiden. Meine letzte Frage an Zade ist deshalb, wie »Die Möwe« aus feministischer Perspektive zu betrachten ist.

Zade antwortet: »Es ist erstaunlich zeitgemäß. Es ist eines der wenigen Stücke aus der Zeit, bei denen ich denke: Frauen sind auch heute noch so. Was bei Inszenierungen häufig übersehen wird, ist die Tatsache, dass es hier zwei Künstlerinnen gibt, Nina und Arkadina, die beide einen Beruf haben. Und man hat den Eindruck, dass die anderen Frauenfiguren, die das nicht haben, viel glücklicher wären, wenn sie irgendein anderes Ventil hätten. Eine Anstellung oder eine Berufung. Ich denke, es ist eine Frage der Interpretation, aber ich glaube, dass Nina und Arkadina starke Figuren sind, Kämpferinnen, trotz allem, was mit Nina geschieht. In gewisser Hinsicht zerbricht sie im vierten Akt, aber sie verlässt uns mit der Aussage: Ich werde es als Künstlerin schaffen. Ich werde Erfolg haben. Ich male mir ihre Zukunft so aus, dass sie ihren Weg gehen wird – .«

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<![CDATA[Stars and a Siberian Forest. Anne-Cécile Vandalem’s »Kingdom«]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-kingdom.html Fri, 08 Apr 2022 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-kingdom.html von Joseph Pearson

In 2019, the Belgian theatre-maker Anne-Cécile Vandalem told me, »We are so tied to reality and, for me, theatre and poetry are forms that allow us to see from a different point of view. It’s said that if you look at a star in the sky straight on, you have trouble seeing it. It’s only when you look a little bit to one side that you see it better. For me, this explains my approach to theatre.«

A trilogy of such fictions––the three sister stars of Orion’s belt?––will be completed by »Kingdom«, premiering at the Schaubühne’s FIND 2022 festival this weekend. The previous instalments, »Tristesses« and »ARCTIQUE« showed at FIND in 2017 and 2019 respectively. I appreciate Vandalem’s star metaphor because it gives a sense of the great spaces that attract the director. It also suggests her reflections on failure, the impossibility of touching the ideal. I ask her about the relationship between »Kingdom« and the preceding plays.

Vandalem explains, »I work in cycles. I like the possibility of multiple stories that interweave my intuitions and preoccupations. It is also a search for devices that allow us to reveal more. In this cycle, I wanted to reflect on humanity’s failures––political in »Tristesses«, ecological in »ARCTIQUE«, although both subjects are imbricated. In »Kingdom«, I wanted to consider what failure means for the future, for those who will exist in an ever more perilous and uncertain future. I thought of the device of focusing on encounters with children: how do they see their futures, as opposed to me, an adult. It was at this point in the project that I came across the work of Clément Cogitore, when his study of families living in the Siberian Taiga was still in exhibition form, rather than a film.«

Clément Cogitore is a French filmmaker and installation artist. His 2017 documentary film, »Braguino«, about a remote community in the Siberian wilderness, is an atmospheric journey that began with research into the Old Believers, or those practising Orthodox rituals dating before 17th-century reforms. After meeting Sasha Braguine, who brought his family to the Taiga in search of a utopian existence, Cogitore returned with a cameraperson two years later to document the family’s lives. The result is a poetic, open-ended work: helicopters move in and out of cloud; bears are hunted and dismembered; the children of the family play on an island that protects them from wild animals. But the Braguines are not alone. Another family, the Kilines, have also planted their flag in this remote locale, engaging the Braguines in a bitter rivalry. The Braguine children play at a wary distance from the Kiline brood––separate childhoods, with taught resentment of the only other beings their age.

Vandalem tells me that Cogitore’s art intrigued her precisely because it did not answer so many questions, »In Cogitore’s work, the children are not given much opportunity to speak, particularly in the exhibition. I wrote to him, he met me, and I said I would like to make a work based on his work. I made it clear that I would not be adapting »Braguino« to the stage––that would not be interesting––but rather creating a fiction that answers the questions that the film posed for me. And he accepted.«

»Is it that your work is fiction which distinguishes it from Cogitore’s?«

»One cannot say that »Braguino« is strictly non-fiction and documentary, and my story fiction. His is, of course, an artist’s film, a poetic point of view, and it only tells one part of the »Braguino« story. My theatre, however, does not just change the material, such as the characters, but also re-interprets it. For example, I took this film to different places, to publics from rural communities and little towns with limited access to technology and »high culture«, and they were shocked by the documentary, and what they perceived as the egotism of Braguino in exposing his family to the life they ended up living. It is a form of Occidentalism to think of Braguino’s world as a utopia––this return to nature, to virgin territory. I wanted to revisit the Braguino story through mistakes and failures rather than through utopias. This is possible through fiction in way that it is not through the documentary film.«

Certainly, Vandalem’s observations resonate with my reactions to »Braguino«, in which the artist’s helicopter descends, the camera staring down his anthropological subjects. Looking more closely, the lives in this wilderness are impoverished and the conflicts seem petty. It is a view that invites revision, which »Kingdom« offers. In Vandalem’s work, there is a habitual tension between the myth of a promised land––she’s done her tour of Nordic landscapes from a Danish island to the frozen ocean off Greenland to the Siberia Taiga––and the horror behind the promise. As she tells me, »There is a contradiction of the imagination of these spaces and the ecological and political realities, which are terrible.«

I ask, »Instead of Old Believers, you set your remote community among animists. Could you tell me how important the animal world is to your art? I can’t help but think of the sudden appearance of a polar bear on the cruise liner in »ARCTIQUE«.«

She replies, »In »Kingdom«, the whole ensemble of living things is important, even plants. The question of animism runs through the piece. In this play, there’s no bear but there are dogs, real ones. When I started to write, I knew they would be there, even before I saw »Braguino«. The animals would tell the story along with us. The rehearsals would be conditioned by animals, the actors would be influenced by the presence, as they would be by the presence of children on set. They oblige us to position ourselves differently in the space. I realised the limitations of working with props in »ARCTIQUE«, with the polar bear. We worked with him but he didn’t work on us. He was hard to make exist, not like real three dogs.«

»I have heard that the forest also has a role. It makes music––«

»Unlike »ARCTIQUE« where we had a band on board the ship, here we have a family that accompanies all their daily steps with songs. They sing at work, about love, for the loss of a family member. No matter what happens, song is present. All the instruments are made from natural materials––wood, stone, horn, fibres, rocks––and the players are difficult to see behind a forest. The music is live but we might not immediately remark on it.«

»Let’s return to the children«, I suggest, to conclude, »In »Braguino«, Cogitore is filming their everyday lives. As documentary subjects, they are unlikely to be making an abstraction of their roles. How do you work with children on stage?«

»When working with them«, the director replies, »It is difficult to make them believe in the fiction. They always know they are playing. We can tell children to imagine they are thieves, but they know they are not. Their relation to belief in the creation of something is difficult; you need to give them concrete examples: imagine someone taking away your house, your parents. But the children are self-protective; they tend to laugh in response. It helped that we worked with them for a long period: one and a half years before the premiere. I wanted them to grow with the story over a long period, and not just experience it for eight weeks. I wanted them to incarnate their characters slowly. It was only this way that they would begin to believe in their world.«

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<![CDATA[Robert Lepage’s Works of Memory. A Retrospective at the Schaubühne]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-ota.html Sun, 03 Apr 2022 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-ota.html von Joseph Pearson

This year’s international festival at the Schaubühne, FIND, has Robert Lepage as its artist in focus. Lepage might be an icon of not just Québecois, but international avant-garde theatre and cinema, yet he presents as the most natural, relaxed, and friendly person you can imagine––affable and thoughtful behind his heavy-set glasses. Often, one observes how artists put on a persona of distanced importance to confront a competitive milieux. But just as often, the greatest artists dispense with mondain pretence and engage you directly.

We meet in what feels like a terrible place: a storage / practice room behind the Schaubühne studio––a location I had forgotten existed in the theatre’s innards, filled with stacked chairs and a rudimentary table waiting in the gloom attended by a bottle of still water.

But Lepage motions to the perfunctory space, telling me: »Something really moving happened here. We have been using this room during the past days to rehearse »Seven Streams of the River Ōta« and suddenly––when we were really into it, working with the lines––an actress recited a monologue about the Hiroshima disaster, about a man who is blinded explaining how the fire enters his eyes: »don’t you see, the buildings with people trapped inside them, burning.« And we were taken with this moment. We never tried to make the connection to what is happening in Ukraine. But it was there. In a seven-hour show, there are many such moments.«

Like in any interview, I have come prepared with my theme, and it is precisely this: how do Lepage’s works, appearing in a retrospective for FIND 2022, necessarily resonate differently as times change, faced with different mentalities, new audiences, and new generations? »887« is from 2015, and a reflection on the director’s childhood and working-class struggles during the political awakening of Québec in the 60s and 70s. »Seven Streams of the River Ōta« was first produced between 1994 and 1996. It is an endurance piece of seven hours that considers the tragedies of the 20th century, from the concentration camps, to Hiroshima, to AIDS. It now plays with a new vigour on the Berlin stage, with war, only 800 km distant, having returned to Europe. Lepage says the significance of »Seven Streams of the River Ōta« today is present, but »without trying or justifying«. Nonetheless, the audience cannot help but think about an atomic threat differently from one year ago.

The last time that »Seven Streams of the River Ōta« was performed was in London at the very beginning of the pandemic, in March 2020. Now, it returns at what feels like a hiatus in the emergency. He tells me that the first thing his troop, Ex Machina, noticed, when recently viewing a video of that production, is how »through the whole thing, people were coughing, in a packed house, with no masks. You hear all the coughs and think: what the fuck  

I suggest, »Just as the theme of atomic warfare and its effects on civilians resonates with the present, frightening, geopolitical situation, so too does the question of pandemic. »Seven Streams of the River Ōta« is also about AIDS. We have all been through a different pandemic these past years. Can we make comparisons?«

Lepage tells me, »Thinking of the presence of the AIDS crisis in the show, you need to consider that when we first wrote »Seven Streams of the River Ōta«, in the early 90s, AIDS was killing in great numbers. It is an »exercise de mémoire« to show a situation in the early 90s when we talked about »exit programs«, palliative care, hospices… when we were learning how to die. Now, a lot of people have since forgotten or don’t know about these times. They are maybe people who became sexually active in a different world, or–– at least in some parts of the gay community––describe HIV as an »inconvenience«, without reflecting how AIDS was once a death sentence.«

»How then does it feel to reflect on this after Covid?« he continues, »Of course, you can’t really compare the two: but the end result is that elderly people are now seen the way people looked at the gay community then: their potential to get infected and die. At the same time, you can’t direct or redirect these themes. They are there: you will draw your own conclusions. It would be very pretentious to make too close a comparison, to say, as a director, »that’s the reason why«. All I would say is that the show has a lot of potential for triggering reflections, even when we find ourselves now in a different place.«

Lepage has already spoken of his work as an »exercise de mémoire«, or a memory exercise (a deceptively difficult concept to translate to English as it suggests both »the work of memory« and the ethical imperative to remember). He expands: »It struck me that’s what we are good at: theatre as the sport of memory. The first compliment that you are given when you perform is »what a memory you have!« It is about making people remember and placing something in their memory: one they can experience through their senses that they might not experience through books. It became my thing. Actors, performers, poets, chansonniers, opera singers, bards can be the carriers of memorial culture––even when a culture is being erased. You feel you have a purpose: as someone who reacts, as a performer, whose role is to refresh, remind, as history comes back to the surface.«

»But when you revisit a production––like »Seven Streams of the River Ōta« or »887«––years later, do you feel you need to make changes?« I ask.

‘You will have to repaint, take the dust off.« And he makes a comparison to how his company Ex Machina rebuilt their rehearsal and theatre space in Québec City. What was essentially a derelict site, where they first improvised »Seven Streams of the River Ōta«, was renovated and beautifully restored. They revisited the first version of »Seven Streams of the River Ōta« in the same location, but with the theatre space renewed.

He explains, »But the thing is, with »Seven Streams of the River Ōta«, we didn’t do any rewriting. When we took it out of the mothballs, we simply sandpapered the edges a little––«.

»And what does it mean to »sandpaper«?« I ask.

»In the case of Ex Machina, thirty years ago we weren’t anti-literature, but we did not come from literature. We were interested in the theatre of mime, masks, commedia dell’arte, Pina Bausch. That’s what we were into. It’s also when we did »The Dragon’s Trilogy«, which propelled us. The dialogue was of little importance, the written word was simply invited in. All this to say: since then, we’ve learned to write, to work with the sense of telling a story, with dramaturgical structures, and how they work, and when to break them. To know when the stakes are not high enough, or when things are not well-structured. That is where the sandpaper stuff comes in.«

»I think you are being rather hard on yourself… you probably already knew how to write!« I laugh.

»Well––not to be coy––let’s just say we became better writers because our knowledge and education got better. The audience and the reviewers inform you about what they think you are talking about. You tour the world. There’s dialogue. You revisit your text. You correct little things. Also, one thing I noticed is the insecurity of our younger works, the tendency to repeat things. That there is so much redundancy. To be understood, you feel you need to repeat, and then twenty years later, you realise it’s redundant. Say it once and say it well!«

»You talk about an »exercise de mémoire«. We’ve talked a lot about memory but let’s talk more about the exercise. What is the exercise?« 

»If I understand you correctly, it’s a question about what the difference is between the Ex Machina’s process and other groups’ processes. Let’s say we are doing a show about war––war in Ukraine, for example. We collect a group, sit around. All of us are of different ages, genres, classes, there are those with higher education or little formal education. We have different points of view and different takes on the subject matter. Now, normally, the process would try to reconcile these points of view and we would make a lot of compromises. But the problem is that the more compromises you make, the less interesting the piece will be. So, we never start there. We don’t even start with a theme, like Hiroshima. We start with something intimate instead.«

»For example?«

»For example, an anecdote, about which can all respond. When we started the »Seven Streams of the River Ōta« project, I had already been in Japan, and visited Hiroshima. Our guide had lived in Hiroshima all his life and was six or seven when the bomb happened, and he spoke to me about a young lady who had been disfigured horribly and was prevented by her clinic from looking at herself in the mirror, in case it would upset her. But she kept a shard of a mirror hidden under her pillow, which she used to put on makeup, and then she would rub off her lipstick so the doctors would not notice. Our guide said you can disfigure a woman, but you cannot take out from human nature the desire to be beautiful. The atomic bomb and its horrors never touched me as much as, suddenly, that story. That is what I get from people around me. From an anecdote, you start to play with an idea––one that makes it all the more human, truer. That’s what we do. We don’t start with a reflection on atomic war. The reflection happens instead on its own.«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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<![CDATA[Bodies of Power. Teatro La Re-Sentida’s »Oasis de la Impunidad«]]> https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-oasis.html Fri, 01 Apr 2022 00:00:00 +0000 https://www.schaubuehne.de/de/blog/pearson-oasis.html von Joseph Pearson

One of the most memorable pieces of the (pre-pandemic) FIND 2019 was by the Chilean Teatro La Re-Sentida: »Paisajes para no colorear«, or » landscapes not to be colored«. Its unblinking investigation of femicide and gender-based violence was articulated on-stage by young Chilean women, 13 to 18-years old. Their raw emotionality was a tangible shockwave that passed through the audience.

The Venn diagram of state structures, capitalism, liminal groups, gendered violence, the body, and the stage, is the stuff of director Marco Layera’s theatre. He returns with his fourth FIND production this year––and world premiere––»Oasis de la Impunidad«. It is a production of Teatro La Re-Sentida and the Münchner Kammerspiele––with the Schaubühne and Matucana 100 in co-production. I also spoke with dramaturges Elisa Leroy and Martín Valdés-Stauber, who collaborated both in Chile and here in Germany.

Layera is affable and restrained, and at first keeps his ideas to himself before they froth and spill over articulately. He speaks emotionally about »Paisajes para no colorear« (»landscapes not to be colored«) as »the most beautiful theatrical experience he had ever had. It was an important moment to combine artistic with social practice, to create, transform, and relate to a community

After the completion of that theatrical project, and its close engagement with young people, La Re-Sentida experienced a convulsive political moment in Chile, beginning on 18 October 2019. It is known as the »Estallido Social«, or »social outburst«. Beginning with a reaction to something as basic as the rise of public transport prices in Santiago, the protests escalated to confront the country’s slide towards privatisation and social inequality. Millions took to the streets and the government responded brutally.

Layera recounts, »With these events, the mask fell in Chile. Everyone showed who they really were. As an artist too, it was a challenge. With all this effervescence in the street––the body on the street the protagonist––as an artist you are put into question. What do you do now? Do you repeat the recipes and strategies from before or do you harness impulses, energy that propels you? But even if we were to start from what happened in Chile, we were never interested in replicating what happened on the street. It would be impossible, even ethically unsound, to reproduce it semiotically or semantically. Since the masks had fallen, everything seemed already to have been openly said. So, we tried to do a more conceptual, abstract work, based on the body.«

The events of the »Estallido Social« will be remembered internationally for the widely reported incidents of violence by the Chilean national law enforcement police, or »Carabineros«. Human Rights Watch later reported that, between 18 October and 19 November 2019, 9 000 protesters were injured and 15 000 detailed. Many were blinded by anti-riot guns. Sexual abuse, homophobia, and rape were widely reported in detention.

Marco Layera tells me, »From those protests, a colleague on stage has the remains of a bullet in his leg. My left hand was broken––«

The events brought back memories of past abuses by Chilean officers during the 1973 to 1990 Pinochet dictatorship, and the aftermath brought Chile to a reckoning: it voted to change its constitution and ushered in a new government, with Gabriel Boric, a leftist, in power from March 2022.

Teatro La Re-Sentida, not wanting to draw exclusively on the experiences of its own artists, issued an open call. Two hundred young people––of five hundred who applied––took part in a theatre laboratory. They confirmed the human rights monitors’ findings that the experience of violence was not isolated but rather systemic, standard practice. Layera explains, »These very young people were the protagonists of this social unrest and 80% of them had experienced police violence. We also observed that this younger generation no longer perceived the police forces as legitimate representants of the state’s authority. The police were delegitimated for them in a way it was not in previous generations. All this related to the fact that security forces, military and police, were not reformed or re-established after the dictatorship. They remained authoritarian.«

One area for inquiry during the workshop was how democratic societies contain institutions within them responsible for violence. Layera elucidates, »Practices that are the extreme of barbarity are contained within democratic structures that project civility. In an event such as a protest, this barbarity manifests itself from behind the veneer. I can give you an image that summarises this: a police officer at a protest, in the first line of confrontation, is armed with a gun. All police officers are required to have name tags on their uniforms. But this officer had replaced his name tag and renamed himself »Superdick.« In what way do we understand this image? Someone who represents himself as »Superdick« is given a role with the capacity to do whatever he wants to us as civilians«.

»And yet, can you imagine a society without legal enforcement?« I ask.

Layera replies, »We know we need police forces. It’s a relationship between need and them also being enemies, part of a culture of fear and terror. There is not one of us who does not feel terrorised when a policeman approaches. When they stop your car, you know something bad will happen. The question is: are there other practices that a democracy can develop to channel this violence differently? So that the police are not an alien caste? For now, hegemonic masculinity is the parameter for being a good police officer. And the implied structure of the Chilean police––and I would even dare to say the police in the West––is racist, classist, and patriarchal.«

Dramaturge Elisa Leroy follows these observations to describe how this manifests itself on stage, »It’s very subtle, very implied. All the bodies on stage, both female and male, incarnate this hegemonic masculinity. You see how they strive for it, how this idea is present, but also how it doesn’t correspond to the bodies exactly and remains imagined. It is aspirational, adulating masculinity. Or a training for a masculinity that signifies power over others.«

The conceptual and abstract approach of La Re-Sentida is based on magic mimesis, but not of the victims of the street violence, but an imitation of the perpetrators: the police officers, an imitation through which, to use Layera’s words, »we might liberate ourselves, find catharsis, even expiate the police’s sins.«

I ask how important traditions of contemporary dance are to the production, and its desire to find a new language with which to confront the theme, and I’m told it is not a coincidence that there are two dancers on set. Neither is from contemporary dance: one is a street dancer and the other one a show dancer. Another fruitful collaboration in the production is clearly that of the various institutions––both Chilean and German––and their cooperation to bring this international premiere to Berlin as producers that acknowledge long-standing bonds and express their artistic trust by producing this company’s show and featuring it in their programme.

Layera turns to me finally and says, »I feel all artistic processes are transformative. Everyone is affected in distinct ways. For me, »Paisajes para no colorear« was very transformative, but also here there is transformation. This one is also an expiation, an atonement. A very painful one. It evokes enduring pain. When will this pain vanish? When will there be justice in my country? There’s a debt to be paid.«

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Schaubühne – I