27.03.2015 > F.I.N.D. #15 - Festival Internationale Neue Dramatik

 

10 Tage, 11 Länder, 11 Regisseure. Darunter so wegweisende Theatermacher wie Simon McBurney und Milo Rau, der erstmals in Europa gastierende New Yorker Richard Nelson, Entdeckungen wie der Performer Christophe Meierhans und die chilenische Gruppe La Re-sentida, alte Bekannte wie Rafael Spregelburd, Wajdi Mouawad und Marius von Mayenburg, dessen neueste Arbeit »Stück Plastik« beim F.I.N.D. zur Uraufführung kommen wird. Das 15. Festival Internationale Neue Dramatik zeigt vom 17. bis 26. April aktuelle Produktionen aus Argentinien, Belgien, Chile, Deutschland, Frankreich/Kanada, Großbritannien, Israel, der Schweiz, Spanien und den USA. Sie alle untersuchen, wie der Einzelne mit politischen Wirklichkeiten konfrontiert wird und sich mit diesen auseinandersetzt - sei es in einer familiären Diskussion beim Abendessen über zentrale Themen der amerikanischen Innenpolitik (»The Apple Family Plays« von Richard Nelson), als Vorschlag einer ungewöhnlichen neuen Verfassungsform in »Some Use for your broken Clay Pots« von Christophe Meierhans, als humorvoller Versuch, die Geschichte umzuschreiben (»La imaginación del futuro« von La Re-sentida) oder als zutiefst persönliche Darstellung einer vom Taliban-Regime gezeichneten Lebensgeschichte in »Nadia/Kabul/Barcelona«.Und wenn Wajdi Mouawad in »Sœurs« zwei Frauen mit Minderheitsbiografien aus Kanada und dem Libanon aufeinander treffen lässt, werden nicht nur Bruchstellen zwischen Individuum und System sichtbar, sondern auch unvermutete Gemeinsamkeiten.

Das Programm im Überblick

Mit den für seine Arbeit typischen Mitteln der politischen Recherche, Dokumentation und fiktionalen Performance untersucht Milo Raus preisgekrönte, von der Schaubühne koproduzierte lecture performance »The Civil Wars« die Prämissen von Revolte und politischem Engagement bei jungen Westeuropäern.  Ausgehend von der Geschichte eines jungen Belgiers, der nach Syrien reiste um dort für ein Kalifat zu kämpfen, recherchierte Rau ein halbes Jahr lang im Salafisten- und Rechtsradikalenmilieu und verschränkt die Ergebnisse mit den persönlichen Erfahrungen seiner vier Schauspieler.

Der britische Regisseur und Schauspieler Simon McBurney, Gründer der weltweit einflussreichen Theatergruppe »Complicite«, zeigt sein Solo »Amazon Beaming: Work in Progress«. Auf Grundlage der Erfahrungen eines Amazonas-Reisenden mit einem verborgenden Menschenstamm untersucht er unsere Wahrnehmung von Realität, Natur und Zeit. Erneut experimentiert McBurney mit theatralen Formen und medialen Möglichkeiten: die sich ständig verändernde Klangwelt dieser »work in progess« entsteht mit Hilfe modernster Audio-Technologie.

Marius von Mayenburg inszeniert sein neuestes Stück, das im Rahmen von F.I.N.D. uraufgeführt wird: In »Stück Plastik« sieht sich ein Ehepaar, das sich als offen und politisch engagiert wahrnimmt, mit der Frage konfrontiert, ob es in seinem privaten Leben den selbst gestellten  Ansprüchen gerecht werden kann, als eine attraktive Putzhilfe ihr Leben auf den Kopf stellt.

Richard Nelsons »The Apple Family Plays« führen uns ins Wohnzimmer einer liberalen amerikanischen Mittelklassefamilie im Staat New York. Uraufgeführt am jeweils verhandelten Datum, lässt Nelson die Familie Apple in Realzeit eines Abends  zentrale politische Themen verhandeln: Die midterm elections 2011, den zehnten Jahrestag des 11. Septembers, den Tag der Präsidentschaftswahlen 2012 und den 50. Jahrestag des Attentats auf John F. Kennedy. Mit verblüffend einfachen theatralen Mitteln öffnet die Serie ein vielschichtiges Panorama aus dem Innenleben der USA. 

Nach ihrem fulminanten ersten Auftritt beim F.I.N.D. 14 im letzten Jahr geht die chilenische Gruppe La Re-sentida mit ihrer neuen Arbeit »La imaginación del futuro« der Macht politischer Inszenierung nach. Eine Gruppe von Beratern nimmt sich Salvador Allendes letzte Rede vor: Was wäre, wenn diese anders geschrieben und gehalten worden, die Regierung gerettet und das Land vor der Diktatur bewahrt worden wäre?

Mit »Sœurs« ist der Kanadier Wajdi Mouawad bereits zum vierten Mal bei F.I.N.D. zu Gast, diesmal mit seiner Protagonistin Annick Bergeron, die zwei sehr unterschiedliche Frauen verkörpert: Eine kinderlose frankokanadische Expertin für Völkerkonflikte und eine Versicherungsexpertin, die aus dem Libanon geflohen ist. Beide treffen in einem zerstörten Hotelzimmer aufeinander – ein Clash mit unerwarteten Parallelen von Individuen und Zeiten, Westen und Nahem Osten.

Nadia Ghulam, die 2006 von Afghanistan nach Spanien flüchtete, erzählt in »Nadia/Kabul/Barcelona« ihre beeindruckende Lebensgeschichte. Als sie acht Jahre alt ist, wird ihr Bruder durch einen Bombenangriff getötet. Um nach der Machtergreifung der Taliban ihre Familie unterstützen zu können, nimmt sie die Identität ihres Bruders an.

Yonatan Levy, der neue Star der israelischen Independent-Szene, wirft in »Saddam Hussein – A Mystery Play« einen satirischen, absurd-aberwitzigen  Blick auf das schillernde Bild  des verklärten und geschmähten Herrschers Saddam Hussein, seine Widersacher im Westen und die Gier nach Öl.

Ein italienischer Linguistikprofessor wacht mit Amnesie auf Malta auf. Nur sein Pass verrät ihm seine Identität. Als er versucht, mit digitalen Mittel sein Leben zu rekonstruieren, wird er in einem abenteuerlichen Strudel aus Liebe, Sprache und fragmentierten Erinnerungen in eine vollständig virtualisierte Gesellschaft verwickelt. Der argentinische Theatermacher Rafael Spregelburd, seit 2004 regelmäßig bei F.I.N.D. zu Gast, steht in seiner Sprechoper »Spam« selbst auf der Bühne.

Eine Neuentdeckung ist der Schweizer Performer Christophe Meierhans, der bei »Some Use for your broken Clay Pots« das Publikum einlädt, Demokratie und Mitbestimmung neu zu denken - auf der konkreten Basis einer von ihm mit Wissenschaftlern entworfenen Verfassung.

Wie macht der CIA »high value targets« - die Anführer aufständischer Bewegungen - ausfindig? Unser Ensemblemitglied Andreas Schröders nimmt sich in  »Hochwertige Ziele« WikiLeaks-Dokumente zu diesem Thema vor.

Zum fünften Mal findet das Workshop-Programm »F.I.N.D. plus« statt. Es bringt Schauspiel-, Regie- und Dramaturgiestudierende aus Belgien Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden und Tunesien zusammen, die in Workshops mit eingeladenen Theatermachern des Festivals arbeiten.

 

Weitere Informationen finden Sie unter:

http://www.schaubuehne.de/de/seiten/find-15.html

 

Fotos der Produktionen finden Sie unter:

http://www.schaubuehne.de/de/pressedownload/produktionen.html/Galerie=68

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