27.02.2023 > FIND 2023: Schaubühne veröffentlicht Programm zum Festival Internationale Neue Dramatik vom 19. bis 30. April

FIND 2023: Schaubühne veröffentlicht Programm zum Festival Internationale Neue Dramatik vom 19. bis 30. April

Inszenierungen aus acht Ländern und von drei Kontinenten sind bei der diesjährigen Ausgabe zum ersten Mal in Deutschland zu sehen, darunter erstmals Produktionen aus Taiwan, Japan und Iran.

Beim einzigen großen internationalen Theaterfestival der Stadt zeigt die Schaubühne auch in diesem Jahr wieder außergewöhnliche Produktionen aus aller Welt. Erneut widmet das Festival dabei einer der bedeutendsten lebenden Persönlichkeiten des internationalen Theaters einen Programmschwerpunkt. Nach Angélica Liddell und Robert Lepage ist dieses Jahr die Künstlerin Elizabeth LeCompte zu Gast. Neben dem internationalen Panorama ist ein Begleitprogramm mit Podiumsdiskussionen, einer Buchvorstellung, Filmscreenings und Festivalparty zu sehen.

Artist in Focus: Elizabeth LeCompte und The Wooster Group

Im Zentrum steht 2023 das Werk der Künstlerin Elizabeth LeCompte mit ihrem Kollektiv The Wooster Group (New York). In einer Garage in Manhattan gegründet, definierte die Gruppe vor einem halben Jahrhundert die Theatersprache völlig neu. Unter der Regie von LeCompte entwickelt The Wooster Group ihre Stücke kollektiv mit ihren zentralen Darsteller_innen, darunter Kate Valk oder der verstorbene Mitbegründer Spalding Gray. Zu den Künstler_innen, die mit der Gruppe zusammenarbeiteten, gehören Größen wie William Dafoe, Frances McDormand und John Lurie. Heute gilt The Wooster Group als Vorreiterin des Postdramatischen Theaters.

Das Festival präsentiert zwei ihrer jüngsten Arbeiten: »A PINK CHAIR (In Place of a Fake Antique)« unternimmt eine szenische Rekonstruktion des vorletzten Stücks von Tadeusz Kantor, das der polnische Theatermacher 1988 kurz vor seinem Tod inszenierte. Mithilfe von Kantors Tochter Dorota Krakowska sowie einer Filmaufzeichnung der Proben unternimmt die Gruppe eine Expedition in die Vergangenheit zur europäischen Theateravantgarde. »NAYATT SCHOOL REDUX« ist der Versuch einer Wiederbelebung der nur durch fragmentarische Archivmaterialien überlieferten Inszenierung »NAYATT SCHOOL« von und mit Spalding Gray. Eine psychedelische Zeitreise in den Irrsinn des Alltags des New Yorker Experimentaltheaters der 1970er-Jahre.

Die zwei aktuellen Inszenierungen werden von einem Podium mit Elizabeth LeCompte und Kate Valk begleitet, außerdem werden Filmarbeiten von The Wooster Group unter der Regie von Elizabeth LeCompte gezeigt. The Wooster Group verlinkt zudem ihr umfangreiches Videoarchiv mit der Website der Schaubühne und erweitert so den diesjährigen Fokus um eine virtuelle Werkschau.

Festivaleröffnung

Eröffnet wird das Festival am Mittwoch, 19. April mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Tina Satters »House of Dance«, die in einem Stepptanz-Studio in der Provinz spielt. Die New Yorker Autorin und Regisseurin war bereits 2022 mit ihrer Produktion »Is This A Room« beim FIND an der Schaubühne zu Gast und präsentierte dessen Filmadaption »Reality« auf der diesjährigen Berlinale in Berlin. Satter arbeitet nun zum ersten Mal mit einem deutschsprachigen Ensemble zusammen.  

Internationales Panorama

Erstmals mit einer größeren Inszenierung in Deutschland zu Gast ist das taiwanesische Kollektiv Shakespeare’s Wild Sisters Group (Taipeh). Um vier Frauen in Umbruchsituationen dreht sich ihre Inszenierung »親愛的人生 (Dear Life)«. Sie basiert auf den gleichnamigen Kurzgeschichten der Nobelpreisträgerin Alice Munro und spielt in einem flirrenden urbanen Universum im heutigen Taipeh.

»笑顔の砦 (Fortress of Smiles)« nennt der japanische Regisseur Kuro Tanino (Tokio) sein Stück, in dem er zwei identisch erscheinende, Wand an Wand gelegene Wohnungen als hyperrealistisch simultan bespielte Schauplätze auf die Bühne bringt. Während in der einen Wohnung eine Gruppe von Fischern ihrer fröhlichen Routine nachgeht, spielt sich in der anderen das Drama einer Familie ab, die an der fortschreitenden Alzheimer-Erkrankung der Großmutter zu zerbrechen droht.

Die junge iranische Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Parnia Shams (Teheran) schrieb und inszenierte ihr Stück » است (ist)« zusammen mit sechs weiteren Theaterabsolventinnen der Sooreh Universität in Teheran, ausgehend von eigenen Erfahrungen. Das Stück spielt in einer fiktiven Teheraner Privatschule. In die Schulklasse kommt mitten im Schuljahr eine neue Schülerin aus der Provinz. Sie freundet sich mit der Klassenbesten an und schon bald gerät die Freundschaft unter den Druck des schulischen Machtapparats.

Erstmals einem Berliner Publikum präsentiert sich auch das norwegische Kollektiv Susie Wang um die Autorin und Regisseurin Trine Falch (Oslo). Ihre Arbeit »Burnt Toast« ist angesiedelt in einer Hotellobby mit Rezeption und Fahrstühlen. Aus diesem scheinbar banalen Setting entwickelt sich ein groteskes Szenario, das in fantastischer und doch konkreter Weise als »existenzielles Splatter-Theater für Erwachsene« die menschliche Reproduktion ad absurdum führt.

Neu zu entdecken ist auch der galicische Dramatiker und Regisseur Pablo Fidalgo (Vigo). »La Enciclopedia del Dolor. Tomo I: Esto que no salga de aqui« führt uns in seine damalige, von Maristen-Priestern geleitete Schule. Deren Geschichte von sexuellem Missbrauch und Gewalt wurde jahrzehntelang vertuscht und erst 2021 durch die Zeitung EL PAÍS aufgedeckt. Fidalgos Monolog entwirft die Radiographie eines Landes, in dem sich Inquisition und Franco-Diktatur noch täglich im Leben spiegeln.

Eine Berliner Geschichte aus der Außenperspektive erzählt der in der Schweiz lebende französische Autor, Regisseur und Schauspieler Cédric Djedje (Genf) in »Vielleicht«. Der Sohn von Eingewanderten aus der ehemaligen Kolonie Elfenbeinküste entdeckte das Afrikanische Viertel im Wedding und begegnet dort einem Stadtteil, der nicht etwa seine afrikanischen Bewohner_innen würdigt, sondern den deutschen Anspruch auf ein Kolonialreich – etwa indem dort Kolonialverbrechern Straßennamen gewidmet sind, deren Umbenennung über Jahrzehnte von Anwohner_innen torpediert wurde. Anknüpfend an die Thematik des Abends wird es ein Podium zu Dekolonisierung geben, auf dem unter anderem auch Cédric Djedje anwesend sein wird.

Neue Dramatik an der Schaubühne

Neben den internationalen Gastspielen sind beim FIND auch wieder drei aktuelle Produktionen neuer Dramatik an der Schaubühne zu erleben: Tina Satters »House of Dance« sowie das deutsch-ukrainische Projekt »Sich waffnend gegen eine See von Plagen (ОЗБРОЮЮЧИСЬ ПРОТИ МОРЯ ЛИХ)« von Stas Zhyrkov und Pavlo Arie (Kyiv) sowie »Nachtland« von Marius von Mayenburg.

Das künstlerische Programm wird diskursiv begleitet von Publikumsgesprächen sowie Podiumsdiskussionen zu den verhandelten Inhalten. Teil des Festivals wird auch eine Buchvorstellung des neuen Romans von Virginie Despentes sein: Die Autorin präsentiert »Liebes Arschloch« über einen MeToo-Skandal im Literaturbetrieb in einer Deutschlandpremiere an der Schaubühne. Despentes gilt spätestens seit ihrer Reihe der »Vernon-Subutex«-Romane als eine der wichtigsten Stimmen der französischen Literatur.

 

FIND 2023  Übersicht nach Spieltagen

Mittwoch, 19. April
20.00 – 21.20 Uhr                  House of Dance (Premiere) von Tina Satter

Donnerstag, 20. April
18.00 – 19.25 Uhr                  Burnt Toast von Susie Wang
20.00 – 21.10 Uhr                 PINK CHAIR von The Wooster Group

Freitag, 21. April
18.00 – 19.25 Uhr                  Burnt Toast von Susie Wang
19.00 – 20.20 Uhr                  House of Dance von Tina Satter
20.30 – 21.40 Uhr                  A PINK CHAIR von The Wooster Group
21.30 – 22.55 Uhr                  Burnt Toast von Susie Wang

Samstag, 22. April
15.00 – 16.25 Uhr                  Burnt Toast von Susie Wang
18.00 – 19.10 Uhr                  A PINK CHAIR von The Wooster Group
20.00 – 21.50 Uhr                  笑顔の砦 (Fortress of Smiles) von Kuro Tanino
20.30 – 21.50 Uhr                  House of Dance von Tina Satter

Sonntag, 23. April
14.00 – 15.30 Uhr                  Podium: Werkzeuge der Dekolonisierung
16.00 – 17.15 Uhr                  Film: Rumstick Road von The Wooster Group
18.00 – 19.50 Uhr                  笑顔の砦 (Fortress of Smiles) von Kuro Tanino
20.00 – 21.20 Uhr                  House of Dance von Tina Satter

Montag, 24. April
19.30 – 21.30 Uhr                  Vielleicht von Cédric Djedje
20.00 – 21.10 Uhr                  Wooster Group Films, Teil 1
21.30 – 22.45 Uhr                  Wooster Group Films, Teil 2

Dienstag, 25. April
19.30 – 21.30 Uhr                  Vielleicht von Cédric Djedje
20.00 Uhr                               Lesung Liebes Arschloch mit Virginie Despentes

Mittwoch, 26. April
19.30 – 20.30 Uhr                  تسا (ist) von Parnia Shams

Donnerstag, 27. April
18.00 – 19.00 Uhr                  تسا (ist) von Parnia Shams
19.30 – 21.15 Uhr                  Sich waffnend gegen eine See von Plagen von Stas Zhyrkov und Pavlo Arie
20.30 – 21.30 Uhr                  تسا (ist) von Parnia Shams

Freitag, 28. April
20.00 – 21.25 Uhr                  NAYATT SCHOOL REDUX von The Wooster Group

Samstag, 29. April
13.00 – 14.30 Uhr                  Podium: Reinventing Theatre: The Wooster Group
16.30 – 17.30 Uhr                  La Enciclopedia del Dolor  von Pablo Fidalgo
18.00 – 19.25 Uhr                  NAYATT SCHOOL REDUX von The Wooster Group
20.00 – 22.15 Uhr                  親愛的人生 (Dear Life) Shakespeare’s Wild Sisters Group

Sonntag, 30. April
16.00 – 17.00 Uhr                  La Enciclopedia del Dolor … von Pablo Fidalgo
18.00 – 19.25 Uhr                  NAYATT SCHOOL REDUX von The Wooster Group
18.30 – 19.30 Uhr                  La Enciclopedia del Dolor … von Pablo Fidalgo
20.00 – 22.15 Uhr                  親愛的人生 (Dear Life) Shakespeare’s Wild Sisters Group
20.30 – 22.20 Uhr                  Nachtland von Marius von Mayenburgab
22.30 Uhr                               FIND-Abschlussparty

Bei Anfragen bezüglich Pressekarten und Informationen rund um das Festival wenden Sie sich gerne per Mail an:

Julia Kretschmer: jkretschmer@schaubuehne.de.

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