19.08.2021 > FIND-Programmveröffentlichung: Das Festival Internationale Neue Dramatik findet vom 29. September bis 10. Oktober an der Schaubühne statt

Am heutigen Donnerstag hat die Schaubühne am Lehniner Platz ihr Festival-Programm veröffentlicht. Acht Produktionen aus fünf Ländern sind beim FIND erstmals in Berlin zu
sehen. Der Vorverkauf beginnt am 1. September.

Seit über 20 Jahren bietet das deutschlandweit einzigartige Festival dem Berliner Publikum die Möglichkeit, herausragende Arbeiten internationaler Autor_innen und Regiesseur_innen zu sehen. Neben Arbeiten, die bereits für das FIND 2020 geplant waren und aufgrund der kurzfristigen pandemiebedingten Absage des Festivals nicht gezeigt werden konnten, stehen außerdem Inszenierungen sowie Gesprächsveranstaltungen neu auf dem Programm, die die aktuelle Festivaledition komplettieren. Ab dieser Ausgabe widmet die Schaubühne außerdem einer bedeutenden Figur des internationalen Theaters einen Schwerpunkt. Den Anfang wird dabei 2021 die spanische Dramatikerin, Regisseurin und Performerin Angélica Liddell machen. Unter dem Schwerpunkt »Gegenbild und Gegenmacht« rücken beim FIND 21 Inszenierungen in den Fokus, deren Inhalte und Ästhetiken die herrschenden Strukturen zu brechen suchen und sie aus der Position der
Marginalität heraus hinterfragen und unterwandern. Die Arbeiten u. a. von Kirill Serebrennikov, Angélica Liddell, Alexander Zeldin oder Édouard Louis, der erstmals als Performer eines seiner eigenen Texte auf der Bühne stehen wird, werden durch Gesprächsveranstaltungen ergänzt.

Artist in Focus: Das in seiner Art einzigartige Werk Angélica Liddells nährt sich, visuell inspiriert von den Werken der abendländischen Malerei, aus der Tradition der spanischen Surrealisten, Artauds Theater der Grausamkeit und den Gegenkulturen des 20. Jahrhunderts. Dabei schlägt die Künstlerin einen großen Bogen des rebellischen Denkens von Diderot über Baudelaire,
Rimbaud, Hawthorne, Genet und Foucault bis hin zu Liddells eigener messerscharfer Analyse
unserer Gegenwart. Zusätzlich zu den Aufführungen zeigt die Schaubühne im Netz über die gesamte Dauer des Festivals wegweisende Inszenierungen aus dem früheren Werk der Künstlerin.

In ihrer neuesten Inszenierung »Liebestod« bringt Angélica Liddell (Madrid) Richard Wagners Mythos und Musik zusammen mit der Geschichte des revolutionären und sagenumwobenen Toreros Juan Belmonte. Sie beschwört die Liebe und den Tod und setzt so ihre Suche nach Erhabenheit in der Tragik fort. Sie kritisiert eine Gegenwart, die den Bezug zur Spiritualität, zum Absoluten und zur Transzendenz zunehmend verliert zugunsten einer vermeintlich wohlmeinenden, an Versöhnung und Konsens orientierten Kultur. Mit »The Scarlet Letter« begibt sich Angélica Liddell in den Kosmos einer kunstfeindlichen Dystopie, die sich aus disparaten Elementen wie dem puritanischen 19. Jahrhundert in Amerika – Schauplatz des gleichnamigen Romans von Nathaniel Hawthorne – oder der Diktatur aus Ray Bradburys »Fahrenheit 451« zusammensetzt: Sinnbild einer Gegenwart, in der Kunst und Philosophie ähnlich stigmatisiert werden wie im Puritanismus der Ehebruch. Und doch besitzen die Gebrandmarkten mit dem scharlachroten Buchstaben »A« – einst für »Adulteress«, heute für »Artist« – das Potenzial zum Bruch mit der totalitären Struktur.

In »Outside«, der Inszenierung von Kirill Serebrennikov (Moskau), dem es trotz jahrelangen Hausarrests in Russland gelang, weiter Regie zu führen, spiegeln sich eigene Erfahrungen der Repression in der Figur des chinesischen Fotografen Ren Hang. Dessen Werke porträtieren eine neue chinesische Generation in ihrem rebellischen Lebenswillen und einer unangepassten Schönheit, die im scharfen Kontrast zum staatlich verordneten Bild von der Jugend steht.

Mit »salt.« unternimmt die Autorin, Regisseurin und Performerin Selina Thompson (Birmingham) den Versuch, eine die offizielle Geschichtsschreibung widerlegende Gegengeschichte der Black British Identity zu schreiben, indem sie selbst als mitreisende Passagierin an Bord eines Containerschiffs die Routen der Sklavenschiffe nachfährt, die ihre Vorfahren aus Ghana nach Jamaica deportierten. Rassismus und patriarchale Machtverhältnisse innerhalb der Schiffsbesatzung machen sie zur Zeugin eines ungebrochen hegemonialen Apparats.

Aus dem Setting einer szenischen Lesung heraus entwickelt der junge kanadisch-amerikanische Autor, Regisseur und Musiker Christopher Brett Bailey (New York / London) in »THIS IS HOW WE DIE« eine von ihm selbst im Stil einer Beat-Poetry- Performance dargebotene, rasant-psychedelische Hommage an die Rebellion der Beatniks, die sich stets auf einem steilen Grat zwischen halluzinogenem Surrealismus, bitterböser soziologischer Satire und persönlichem Bekenntnis bewegt.

Neu in das diesjährige Programm gekommen ist die Inszenierung »LOVE« des Autors und Regisseurs Alexander Zeldin (London). »LOVE« ist Teil der gefeierten Trilogie »The Inequalities« (»Die Ungleichheiten«), in der sich Alexander Zeldin mit prekären Lebensverhältnissen auseinandersetzt. In diesem Teil prallen in einer Gemeinschaftsküche die verschiedenen Bedürfnisse und Ängste der Bewohner_innen einer Einrichtung für temporäres Wohnen aufeinander.

Teil des Festivals sind zudem die Uraufführung »Kein Weltuntergang« von Chris Bush (London) in der Regie von Katie Mitchell (London). Einen besonderen Höhepunkt stellt Thomas Ostermeiers Inszenierung »Qui a tué mon père« von Édouard Louis (Paris) dar, in der Louis erstmals als Performer eines seiner Texte auf der Bühne steht. Der Abend ist eine Koproduktion mit dem Théâtre de la Ville Paris.

Auf dem Programm steht außerdem die szenische Lesung des Stückes »DRAGÓN« von
Guillermo Calderón mit Mitgliedern des Ensembles der Schaubühne, eingerichtet von Bastian Reiber. Anlass ist die Veröffentlichung des Publikationsprojekts »Neue spanischsprachige Dramatik« mit zeitgenössischen Stücken aus dem iberoamerikanischen Kulturraum. In einem Podiumsgespräch im Anschluss werden dieses Projekt und seine Hintergründe vorgestellt.

Diskursiv begleitet wird das Festival durch thematische Gesprächsrunden, unter anderem mit der Kulturanthropolog_in und Geschlechterforscher_in Francis Seeck, der Journalistin Vanessa Vu und den Soziologen Stephan Lessenich und Sérgio Costa.

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