Maria Stuart
von Friedrich Schiller
Regie: Luk Perceval
Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Luft-Preis 2006
Maria Stuart, Königin von Schottland (Yvon Jansen), sitzt auf einem englischen Schloss gefangen. Man bezichtigt sie des Ehebruchs, des Mordes, des Hochverrats. Die aufgezwungene Einsamkeit hat sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Ihre Bücher, ihre Schreibutensilien, ihren Schmuck, ihre Spiegel: alles, was an ihren Status als Königin erinnern könnte, hat man ihr genommen. Von den beiden Gesellschafterinnen, die ihr geblieben sind, spricht eine nicht ihre Sprache, die andere wird von ständigen Heulkrämpfen geschüttelt. Das einzige, was Maria zur Ablenkung bleibt, sind die Männer:
die Wächter, die von ihrem Unglück und ihrer Schönheit magisch angezogen werden und ständig versuchen, näher an sie heranzukommen. Als Mortimer (David Ruland), der Neffe ihres Wächters Paulet (Thomas Bading), auftaucht, glaubt sie zunächst kein Wort von seinen Rettungsplänen. Zu viele Intrigen sind bereits gescheitert, zu viele Männer sind für sie gestorben.
Doch der junge Mortimer ist im religiösen und sexuellen Wahn entflammt: er will Maria befreien, so dass sie über Schottland und England regieren und den rechtmäßigen, katholischen Glauben wieder einführen kann. Doch die Zeit arbeitet gegen ihn: Maria ist bereits zum Tode verurteilt und wird sterben, sobald die englische Königin Elisabeth (Jule Böwe) das Urteil unterschrieben hat. Noch zögert Elisabeth. Ähnlich vereinsamt wie Maria, ohne weibliche Gesellschaft, umgeben von Männern, die über sie regieren wollen
und nur darauf warten, sie auszutricksen, hat sie gelernt, dass Macht auch bedeutet, sich Zeit zu nehmen und eine Entscheidung, zumindest vorläufig, nicht zu fällen. Auch Graf Leicester (Bernd Grawert) harrt seit Jahren ungeduldig auf ein Wort von ihr. Einst hatte er Marias Hand, in der Hoffnung, dass Elisabeth ihn heiraten würde, ausgeschlagen. Jetzt, Jahre später, verspricht Elisabeth auf einmal dem französischen Prinzen die Ehe und ergötzt sich an der Demütigung Leicesters. Nach Rache dürstend wendet er sich wieder Maria zu, die, so scheint es, ihn immer noch liebt. Mortimers jugendlichen Leichtsinn und wilde Rettungspläne lehnt er ab: Der beste Weg, um Marias Leben zu retten und sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, wäre, ein Treffen zwischen Elisabeth und Maria zu arrangieren. Wenn Elisabeth sie einmal gesehen hat, wird sie Maria nicht mehr hinrichten können, denn so herzlos kann keine Frau sein – oder zumindest darf sie nach außen nicht so erscheinen. Geschickt manipuliert Leicester Elisabeth, die einer Begegnung zustimmt. Die beiden Frauen treffen nach einem Jagdausflug aufeinander:
zum ersten Mal sieht Elisabeth die Maria, Maria die Elisabeth. Beide lieben Leicester. Leicester liebt Maria, zumindest im Augenblick. Mortimer tobt vor Eifersucht. Elisabeth versucht, die Rivalin zu demütigen. Maria, außer sich vor Wut, vergisst jegliche Diplomatie und kämpft wie ein Tier; sie gewinnt den Streit, unterschreibt aber damit ihr eigenes Todesurteil. Doch triumphiert Maria noch ein letztes Mal: sie inszeniert ihren Tod als den einer religiösen Märtyrerin und sichert sich einen Platz in der Geschichte. Elisabeth lebt weiter: umringt von Männern, ewig allein, die Ikone einer selbstbestimmten Frau.
Luk Perceval, seit dieser Spielzeit fester Hausregisseur an der Schaubühne, inszeniert diesen deutschen Klassiker über die Vermischung von Liebe, Politik und Religion.
Weitere Infos unter:
www.lukperceval.be
Maria Stuart, Königin von Schottland, Gefangene in England: Yvon Jansen
Robert Dudley, Graf von Leicester: Bernd Grawert
Georg Talbot, Graf von Shrewsbury: Erhard Marggraf
Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh: Ezard Haußmann
Wilhelm Davison, Staatssekretär: Falk Rockstroh
Amias Paulet, Ritter, Hüter der Maria: Thomas Bading
Mortimer, sein Neffe: David Ruland
Graf Aubespine, französischer Gesandter: Patrice Luc Doumeyrou
Graf Bellievre, außerordentlicher Botschafter von Frankreich: Jean Chaize
Melvil, Haushofmeister: Werner Rehm, Femke Heijens
Kent: Alexander von Hugo
Premiere war am 11. Februar 2006