Podiumsgespräch: Armut und Körper

Mit Daniela Brodesser (Autorin), Francis Seeck (Geschlechterforscher_in
und Kulturanthropolog_in)

10.10.2021, 12.00
Vorstellung entfällt

wegen Erkrankung

Mit »Qui a tué mon pére« (Wer hat meinen Vater umgebracht) von und mit Édouard Louis und Alexander Zeldins »LOVE« zeigen wir zwei Produktionen, die sich mit Fragen von Teilhabe und Verteilungsgerechtigkeit beschäftigen. Antworten auf diese Fragen hängen auch davon ab, ob wir eine eher lokale oder globale Perspektive einnehmen: In Deutschland sind knapp 20 Prozent der Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen, die Tendenz ist steigend. Bis in die Körper hinein lassen sich die Spuren der sozialen Spaltung in Arm und Reich ablesen. Aus globaler Perspektive gehören wir in Deutschland trotz dieser stetig wachsenden Ungleichheit nahezu alle zur »Komplizenschaft« der Reichen dieser Welt und profitieren von der Auslagerung der Kosten unseres Reichtums. Wie lassen sich die beiden Perspektiven miteinander verbinden? Insbesondere, da in der ökologischen Situation eine Ausweitung unserer materiell privilegierten Zone weder vorstellbar noch sinnvoll ist. Wie ließe sich für einen lokalen Klassenkampf mobilisieren, wenn es gleichzeitig darum gehen muss, dass wir zugunsten des globalen Südens weniger haben oder zumindest deutlich weniger verbrauchen?

Wenn über Armut gesprochen wird, stehen im akademischen, politischen und auch kulturellen Dialog oft abstrakte Zahlen, akademische Expert_innenstimmen, die »über« Armut sprechen im Zentrum. Menschen, die selbst von Armut betroffen sind, kommen in institutionellen Diskursen oft gar nicht oder nur am Rande vor. Mit der Autorin Daniela Brodesser und der Geschlechterforscher_in und Kulturanthropolog_in Francis Seeck diskutieren zum Thema »Armut und Körper« zwei Personen, in deren Biographien sich aktivistische Praxis, Analyse zu Armut und eigene Armutserfahrungen verbinden.

Daniela Brodesser ist Autorin und Aktivistin. In ihrer Kolumne »Armutprobe« und auf ihrem Twitteraccount schreibt die vierfache Mutter offen über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema Armut und die daraus entstehenden Ängste und Existenznöte. In ihren öffentlichen Vorträgen und Texten kämpft sie gegen die Stigmatisierung finanziell benachteiligter Menschen. Brodesser ist Jurymitglied beim Journalistenpreis »von unten«.

Francis Seeck 1987 in Ostberlin geboren, ist Kulturanthropolog_in und Antidiskriminierungstrainer_in. Als Kind einer alleinerziehenden, erwerbslosen Mutter erlebte Seeck schon früh die Auswirkungen der Klassengesellschaft. Heute forscht und lehrt Seeck zu Klassismus und sozialer Gerechtigkeit, nach einer Vertretungsprofessur für Soziologie und Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule Neubrandenburg nun als Post-Doc an der HU Berlin. 2020 gab Seeck den Sammelband »Solidarisch gegen Klassismus« mit Brigitte Theißl heraus. Im Frühjahr 2022 erscheint die Streitschrift »Zugang verwehrt - Keine Chance in der Klassengesellschaft: wie Klassismus soziale Ungleichheit fördert« bei Atrium.