Streit ums Politische: »Genau und radikal. Politik nach der Natur«
Heinz Bude im Gespräch mit Cord Riechelmann (Publizist und Autor)
Eine starke Richtung des Denkens, das nach Erdung und Einbettung nach einer Wahnsinnsperiode der Virtualiserung und der Entbettung sucht, stellt den hergebrachten Begriff der Mehrheit für eine wahre Demokratie in Frage. Man will über den Menschen hinausgehen, um wieder ein menschliches Maß zu gewinnen. Die Mehrheit einer kommenden Demokratie kann nicht nur eine Mehrheit der Menschen sein. Was ist mit den selbstlernenden Maschinen, was mit den intelligenten Tieren, was mit den noch nicht geborenen Wesen, die halb Mensch und halb was anderes sind? Wir stehen am Ende einer bestimmten Auffassung von Globalisierung, die das Leben zwar leichter, aber auch luftiger gemacht hat. Die Angst sitzt deshalb so tief, weil jeder von uns zu spüren beginnt, wie der Boden unter unseren Füßen wegsackt. Hier hilft nur radikale Genauigkeit und präzises Spekulieren. Die Demokratisierung der Demokratie beginnt mit anderen Allianzen und neuen Komplizenschaften, die den Menschen in Kontakt mit seiner Welt bringt, die er nicht allein bevölkert.
Cord Riechelmann, geboren 1960 in Celle, studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er war Lehrbeauftragter für das Sozialverhalten von Primaten und für die »Geschichte biologischer Forschung«. Schreibt für diverse Zeitungen u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Sonntagszeitung, die Süddeutsche Zeitung, Merkur, taz und jungle world. Sein Hauptinteresse gilt den Lebensbedingungen von Natur in der Kultur städtischer Lebensräume. Er lebt als Publizist und Autor in Berlin. Zuletzt erschienen: »Krähen« (2013), »Wilde Tiere in der Großstadt« (2004) und »Bestiarium. Der Zoo als Welt – die Welt als Zoo« (2003).