Streit ums Politische: »Hass als populäre Kunst – Agieren, reagieren, abreagieren«

Heinz Bude im Gespräch mit Jens-Christian Rabe (Autor und Feuilletonredakteur)

29.09.2014, 19.30

Als der erfolgreichste deutsche Gangster-Rapper Bushido im Juli 2013 die Single »Stress ohne Grund« veröffentlichte, war die Aufregung groß. In bislang ungekannter Härte schmähte er darin den Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit für seine Homosexualität, dem FDP-Politiker Serkan Tören und der damaligen Grünen-Chefin Claudia Roth drohte er mit dem Tod. Die folgende Anklage wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Gewaltdarstellung der Staatsanwaltschaft Berlin hielt ihn nicht davon ab, im Februar sein zwölftes Album »Sonny Black« zu veröffentlichen, das ein im deutschen Mainstream-Pop bislang beispielloses Dokument hasserfüllten Größenwahns ist. Bis heute verkaufte sich »Sonny Black« über 120 000 Mal und ließ drei Fragen zurück: Sollte die liberale Demokratie eine derartige Popularität von Musik, die ihre Energie ausschließlich aus Verachtung, Erniedrigung und Hass bezieht, ignorieren oder doch beunruhigen? Was passiert mit den bösen Gefühlen, wenn sie zu Popkultur werden und damit Stoff der bis heute einflussreichsten Plausibilisierungsmaschine gesellschaftlicher Dissidenz? Und macht es politisch eigentlich einen Unterschied, ob der Hass wie Rap klingt oder wie Punk, Hip-Hop oder Kirmes-Techno?

Heinz Bude vom Hamburger Institut für Sozialforschung diskutiert mit seinen Gästen über Affekte, die die Politik beherrschen.

Jens-Christian Rabe, geb. 1977, Studium der Philosophie, Literaturwissenschaft, Politik und Soziologie in München, Abschluss mit einer Arbeit über das Verhältnis von Moral und Recht im Denken Kants. Seit 2007 denkt er als Feuilleton-Redakteur und Popkritiker der Süddeutschen Zeitung schreibend darüber nach, ob man die Gegenwart besser verstehen kann, wenn man sich deren populäre Kultur ganz genau ansieht.
Jüngst erschienen: »Philosophie als Telesport. Über Slavoj Zizek, das Denken und die laufende Kamera«, in: S. Charles de Beaulieu: Alien, Marx & Co. – Slavoj Zizek im Porträt (dvd, 2011); Vortrag: »Heldentum in Fiktion und Realität. Warum der liberale Staat Helden braucht und Stars bekommen hat« (2011); »Gegenwärtigkeit als Phantasma. Über den Hass auf den Hipster«, in: M. Greif (Hg.): Hipster. Eine transatlantische Debatte (2012); »Zufall statt Happiness – Warum Fußball kein Sport für die Ideologen des Siegens ist«, in: Süddeutsche Zeitung, 8. Juli 2014; »Sehnsucht nach dem Untergang – Was heißt es heute eigentlich noch, über Politik nachzudenken?«, in: Süddeutsche Zeitung, 14. April 2014; »Bushido als Beruf – Warum es nur der bequeme Teil der Wahrheit ist, den erfolgreichsten deutschen Gangster-Rapper als moralisches Problem zu sehen«, in: Süddeutsche Zeitung, 22. Februar 2014; »Extreme Kulturen, schmale Spuren. Popkultur und Kulturkritik bei Sibylle Lewitscharoff«, in: Text + Kritik 2014, Heft 204.

In Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung

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