Carolin Emcke, Foto: Andreas Labes 
Streitraum mit Carolin Emcke und Gästen 
 

Streitraum: Selbstkontrolle oder kontrolliertes Selbst

Carolin Emcke im Gespräch mit Andreas Bernard (Autor und Professor an der Leuphana Universität Lüneburg)

25.03.2018, 12.00

Mit den sozialen Netzwerken und mobilen Apps zur Selbstortung oder Gesundheitsüberwachung hat in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche Umwertung unserer Vorstellungen von Autonomie stattgefunden: Was heutzutage unter »Profil« oder »Selbstoptimierung« verstanden wird, verlässt sich auf Verfahren und Techniken, die einstmals eher der Kriminologie oder der Psychiatrie zugerechnet wurden. Die freiwillige und bewusste Vermessung und Vermarktung des digitalen Selbst erweitert aber keineswegs die Handlungs- oder Dissensmöglichkeiten des Individuums, sondern normiert und konditioniert sie. In seinem neuen Buch »Das Selbst in der digitalen Kultur. Komplizen des Erkennungsdienstes« entwickelt Andreas Bernard eine beeindruckende Analyse der Subjektivität im 21. Jahrhundert.

ANDREAS BERNARD (*1969, München) ist Professor für Kulturwissenschaften am Center for Digital Cultures der Leuphana-Universität Lüneburg. Er studierte Literatur- und Kulturwissenschaften in München und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten von Weimar und Konstanz. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit ist er auch als Journalist tätig. Von 1995 bis 2014 war er Autor und Redakteur der Süddeutschen Zeitung, derzeit schreibt er für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und das ZEIT-Magazin. Neben seinem zuletzt erschienenen Buch veröffentlichte er u. a. »Die Geschichte des Fahrstuhls. Über einen beweglichen Ort der Moderne« (Fischer, 2006) und »Kinder machen: Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie« (Fischer, 2014).

Streitraum 2017/18: »Wissen und Macht«

Lange galt der Mythos, wer über Wissen und Bildung verfüge, verfüge auch über Macht und Status. Umgekehrt galt der Zugang zu Wissen und Bildung auch als eine Form der Umverteilung und als Weg aus der Ohnmacht. Der »Streitraum« 2017/18 will fragen, was von dieser Vorstellung noch übrig geblieben ist. Denn offensichtlich gelten auch ganz andere Konfigurationen: Beim Brexit wie auch bei der Wahl Donald Trumps schien Unwissen (oder sogar Lügen) erstaunlich machtvoll zu sein. Der explizite Anti-Intellektualismus verschiedener populistischer Bewegungen probt den systematischen Angriff auf Institutionen der Wissensvermittlung wie Universitäten, Kultureinrichtungen und Theater. In einer Zeit, in der durch digitale Medien der Zugang zu Wissen schneller und breiter als je zuvor ermöglicht wird, sind sie nur eines der Konfliktfelder, in denen Wissen und Unwissen sowie Macht und Ohnmacht verhandelt werden. Wie ungleich oder ungerecht wird Wissen verteilt? Was sind die Ursachen für die fehlende soziale Mobilität in einer Gesellschaft? Wie gelingt es radikalen, politischen Bewegungen und Netzwerken, aber auch autoritären, chauvinistischen Regimen, ihre Ideologien und ihre Verbrechen machtvoll zu propagieren und zu inszenieren? Welche technischen, welche ästhetischen Gegenstrategien kann es gegen die Verbreitung von Lügen, Diffamierungen und Hass geben? Verschieben sich die gewalttätigen Konflikte zunehmend in die Sphäre von Cyber-Wars? Und was bedeutet das für die Kritik daran? Der »Streitraum« will in der Spielzeit 2017/18 diese ganz unterschiedlichen Phänomene in den Blick rücken: die sozialen Fragen der Ungleichheit ebenso wie die Fragen nach autoritären Regimen und den »Unsichtbaren« in der Gesellschaft – und welche Dispositive der Macht sie generieren.

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