Streitraum: Frauen und Film
Carolin Emcke im Gespräch mit Doris Dörrie (Regisseurin, Schriftstellerin), Verena Lueken (Journalistin, Schriftstellerin), Angelina Maccarone (Regisseurin, Autorin, Professorin Filmuniversität Babelsberg) und Maryam Zaree (Schauspielerin, Autorin, Regisseurin)
Durch die »#MeToo-Debatte« wurde Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt in der Filmbranche thematisiert. Einzelne Fälle von mutmaßlich übergriffigen Produzenten, Regisseuren, Redakteuren wurden erörtert und juristisch verhandelt. Die Fragen nach den ökonomischen Strukturen und ästhetischen Mustern, die solche Praktiken ermöglichen, blieben vielfach ungestellt. Welche Rolle kommt Frauen in der Filmbranche zu? Wie unterrepräsentiert sind Frauen als Regisseurinnen im Fernsehen, in den Filmförderungen? Welche Geschichten von und über Frauen werden erzählt und welche nicht? Welche Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit – und welche von Sexualität und Gewalt werden vermittelt? Welche Bilder vom Genie, von künstlerischer Praxis nähren den Machtmissbrauch, wie lassen sich andere Erzählformen, andere Praxen entwickeln?
Doris Dörrie (*1955, Hannover) ist Regisseurin, Schriftstellerin sowie Professorin für Drehbuchschreiben an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (HFF). Sie studierte in Kalifornien, New York und an der HFF. Sie schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kinderbücher, führt Opernregie und hat über 30 Spiel- und Dokumentarfilme gedreht, viele davon prämiert und international erfolgreich. 2016 kam »Grüße aus Fukushima« in die Kinos, im März 2019 folgt ihr neuer Film »Kirschblüten und Dämonen« als Fortsetzung ihres Kinoerfolgs »Kirschblüten – Hanami« (2008).
Verena Lueken (*1955, Frankfurt a. M.) ist Journalistin und Schriftstellerin. Sie studierte Tanz, Soziologie, Germanistik und Filmwissenschaft in Frankfurt, Philadelphia und New York. Seit 1989 arbeitet sie bei der FAZ, wo sie nach vielen Jahren als Kulturkorrespondentin in New York heute Redakteurin im Feuilleton mit Schwerpunkt Film ist. Sie veröffentlichte mehrere Bücher, zuletzt erschien ihr Roman »Anderswo« (KiWi, 2018).
Angelina Maccarone (*1965, Köln) ist Regisseurin, Autorin und Professorin für Regie an der Filmuniversität Babelsberg. Sie studierte Literatur und realisierte 1994 in Co-Regie ihr erstes Drehbuch »Kommt Mausi raus?!«. Es folgten zahlreiche, international ausgezeichnete Filme, u. a. erhielt »Verfolgt« 2006 den Goldenen Leoparden. Ihr Dokumentarfilm »The Look« feierte 2011 in Cannes Premiere. Für das Drehbuch zu ihrem kommenden Film »Klandestin« erhielt sie 2017 den Deutschen Filmpreis Lola.
Maryam Zaree (*1983, Teheran) wuchs in Frankfurt am Main auf und studierte Schauspiel an der Filmuniversität Babelsberg. Bekannt wurde sie durch ihre Hauptrolle in Burhan Qurbanis Film »Shahada« (2010). Zuletzt war sie in der Serie »4 Blocks« (Regie: Marvin Kren, 2017), dem Kinofilm »Transit « (Regie: Christian Petzold, 2018) sowie als Gastschauspielerin an diversen Theatern zu sehen. Sie ist zudem als Autorin und Regisseurin tätig, 2017 gewann sie mit »Kluge Gefühle« den AutorenPreis des Heidelberger Stückemarkts.
Streitraum 2018/19: »Identität und Repräsentation«
Wenn heute von Identitäten die Rede ist, ist nicht immer sicher, worauf man sich bezieht: auf kulturelle, religiöse, soziale Gemeinschaften? Auf Geschlecht, Herkunft, Nationalität? In welchen ambivalenten Identitäten lassen sich heute gesellschaftliche Formationen begreifen? Welche Zuschreibungen und Projektionen belasten, welche erleichtern die Zugehörigkeit zu einer sozialen oder religiösen Gruppe oder Lebensform? Welche Bilder, welche Begriffe dienen als Instrumente der Stigmatisierung? Warum bleibt die Kategorie der Klasse so tabuisiert als ob es das nicht gäbe: soziale Ausgrenzung oder soziale Distinktion, die sich vererbt von Generation zu Generation? Was braucht es, damit demokratische Gesellschaften wieder durchlässiger, hybrider, pluraler werden? Wie verhalten sich Identität und Repräsentation zueinander? Nicht nur parlamentarische und politische Repräsentationen sehen sich zunehmender Kritik ausgesetzt, auch die Formen medialer, künstlerischer Repräsentationen gehören hinterfragt. Welche Bilder, welche Erzählungen werden zitiert und wiederholt, welche werden verdrängt und vergessen, wie werden Stereotype erzeugt, in denen Vorstellungen von »echt« oder »unecht«, »wir« und dem »Anderen« sich verhärten? Wie frei, wie streitbar, wie bösartig dürfen Menschen oder Gruppen dargestellt und karikiert werden – und welche Kriterien gelten in der Kunst, in der Musik, im Film oder im Theater?