Foto: Escenas do cambio, 2017
Foto: Escenas do cambio, 2017 
Foto: Escenas do cambio, 2017
Foto: Escenas do cambio, 2017 
Foto: Escenas do cambio, 2017
Foto: Escenas do cambio, 2017 
 

Tijuana

von Lagartijas tiradas al sol (Mexiko-Stadt)

Gastspiel im Rahmen von FIND 2017

04.04.2017, 20.30–21.45
Auf Spanisch mit deutschen und englischen Übertiteln

Im Anschluss Publikumsgespräch

»Tijuana« ist das Ergebnis eines realen Selbstversuches von Gabino Rodríguez, Gründer und künstlerischer Leiter des Theaterkollektivs Lagartijas tiradas al sol, gemeinsam mit Luisa Pardo. Inspiriert von der Methode Günter Wallraffs und Andrés Solanos brach Rodríguez für sechs Monate sein Leben als Autor, Regisseur und in Theater und Kino gefragter Schauspieler in der Hauptstadt Mexikos ab, um in Tijuana an der Grenze zu den USA in einer Montagefabrik zu arbeiten: unter der falschen Identität »Santiago Ramírez«, mit angeklebtem Schnurrbart, ohne jeden Kontakt zu Freunden, Familie und Kollegen, und für den gesetzlichen Mindestlohn, der laut mexikanischer Verfassung »die üblichen materiellen, kulturellen und sozialen Bedürfnisse eines Familienoberhaupts decken und seinen Kindern die Pflichtschulausbildung ermöglichen soll«. So zumindest der Anspruch des Gesetzgebers. In der Realität bedeutet es: 73 Pesos pro Tag, umgerechnet weniger als 3,50 Euro. Gerade einmal zum Sterben zu viel für einen alleinstehenden, schlechternährten Schlafgänger wie »Santiago Ramírez«. Eine Rolle, in die sich Rodríguez als talentierter Schauspieler zunächst völlig unverdächtig fügt und, wie mehrere Millionen Maquiladora-Arbeiter, durch gnadenlose Ausbeutung seiner Arbeits- und Lebenskraft am eigenen Leib den Preis für Freihandel und Unternehmergewinne in den mexikanischen Grenzregionen zahlt. Bald jedoch plagen ihn auch ethische Bedenken gegenüber seinen Kollegen und seiner Vermieterfamilie, die alle dem Arbeiter »Santiago Ramírez« vertrauen, obwohl sie de facto von einem bürgerlichen Künstler als Recherchebasis für sein Theaterstück benutzt werden.

»Tijuana« ist der Auftakt eines großangelegten politischen und gesellschaftlichen Panoramas mit dem Titel »Die Demokratie in Mexiko (1965–2015)«, das insgesamt aus 32 Teilen bestehen soll – einer für jeden der mexikanischen Bundesstaaten. Es ist das jüngste Projekt des Kollektivs Lagartijas tiradas al sol, das seit seiner Gründung 2003 in verschiedenen theatralen Formen die Grenze von Dokumentartheater und Schauspiel auslotet, um die Widersprüche ihres Landes aufzudecken und so mit den Mitteln des Theaters politisch zu mobilisieren. Bislang sind vier der Teile realisiert. Zu Gast bei FIND waren Lagartijas zuletzt 2014 mit einem dokumentarischen Projekt über die PRI-Staatspartei: »Derretiré con un cerillo la nieve de un volcán«.

Ein Projekt von Gabino Rodríguez, basierend auf Texten und Ideen von Günter Walraff, Andrés Solano, Martin Caparrós

Mitarbeit Regie: Luisa Pardo
Licht: Sergio López Vigueras
Bühne: Pedro Pizarro
Sounddesign: Juan Leduc
Video: Chantal Peñalosa, Carlos Gamboa
Künstlerische Mitarbeit: Francisco Barreiro

Dauer: ca. 75 Minuten