Artist in Focus: Alexander Zeldin

Auch in diesem Jahr widmet das FIND wieder einem Theaterschaffenden einen Fokus. Dieses Jahr zeigen wir drei Inszenierungen und einen Film des 1985 in England geborenen Autors und Regisseurs Alexander Zeldin. Er war bereits 2022 mit seiner Inszenierung »LOVE« beim Festival zu Gast und inszenierte im selben Jahr mit dem Schaubühnen-Ensemble sein Stück »Beyond Caring«.

Alexander Zeldin begann schon als Teenager, in einer Zeit, in dem ihm die reale Welt »ein bisschen fake« vorkam, Theaterstücke zu schreiben und zu inszenieren. Hier fand er jene Ernsthaftigkeit, die er im realen Leben oft vermisste. Am Beginn seiner Karriere arbeitete er mit nicht-professionellen Schauspieler_innen, gab Workshops in Theatern, aber auch in sozialen Einrichtungen und Nachbarschaftszentren in Groß- und Kleinstädten in Großbritannien, Südkorea, Russland, Georgien und Italien. Zur selben Zeit war er Regieassistent für Peter Brook und Marie-Hélène Estienne in Paris. Der internationale Durchbruch in der Theaterwelt gelang ihm mit der Trilogie »The Inequalities« (Die Ungleichheiten). In hyperrealistischen Bühnenbildern stellen alle drei Inszenierungen der Trilogie Menschen in den Mittelpunkt, die innerhalb eines von der Austeritätspolitik kaputtgesparten britischen Sozialsystems zu den Benachteiligten gehören.

In »Beyond Caring« treffen festangestellte Putzkräfte und Leiharbeiter_innen im Pausenraum einer Fleischfabrik aufeinander. Das Stück schrieb Zeldin 2014 und inszenierte es 2022 mit dem Schaubühnen-Ensemble, adaptiert auf deutsche Verhältnisse, neu. 2015 erhielt Zeldin den Quercus Trust Award und wurde zum Associate Director des Birmingham Repertory Theatre ernannt.
Der zweite Teil, »LOVE«, entstand 2016 am National Theatre, London. Die Inszenierung tourte europaweit und 2023 als USA-Premiere in New York und lief beim FIND 2022. Sie spielt an Weihnachten in einer Notunterkunft für kurzfristig wohnungslos gewordene Menschen. Wir zeigen im diesjährigen Festivalprogramm die Verfilmung, die Zeldin 2018 für die BBC, Cuba Pictures und das National Theatre realisierte.

2017 wurde Alexander Zeldin Artist in Residence des National Theatre, später Associate Director. »Faith, Hope and Charity«, der letzte Teil der Trilogie, feierte seine bejubelte Premiere 2019 ebenso am London National Theatre. Das Stück spielt in einem Nachbarschaftszentrum, das von Hazel, einer resoluten Frau um die 60, geführt wird. Zwar regnet es durch das undichte Dach, doch kocht sie für alle, die eine warme Mahlzeit oder einfach nur einen Ort brauchen, um der Einsamkeit zu entfliehen. Woche um Woche probt ein Nachbarschaftschor im Zentrum, geleitet von Mason, einem optimistischen Ex-Häftling am Keyboard. Mit Warmherzigkeit und Humor erzählt die Inszenierung von den Geschichten der Chor-Mitglieder.

Zeldins neueste Arbeit, »The Confessions«, eröffnet das Festival. Text und Inszenierung basieren auf langen Interviews, die Zeldin mit seiner Mutter und ihren Weggefährtinnen vor dem Schreibprozess führte. Die Hauptfigur des Stückes, Alice, wird 1943 in Australien geboren und ist die erste in ihrer Familie, die studiert. In den 70er Jahren siedelt sie nach London über. Die Szenen aus acht Lebensjahrzehnten untersuchen Alices Beziehungen und erzählen davon, wie Alice als Frau versucht, ihr wahres Ich zu finden. So entsteht ein intimes Porträt des Lebens einer Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Sie können also beim FIND Alexander Zeldins künstlerische Entwicklung in Arbeiten verfolgen, die über eine Spanne von sieben Jahren entstanden sind. Von der »Trilogie der Ungleichheiten« hin zu einer persönlicheren, epischeren Form des Geschichtenerzählens, ist sein Interesse für die Geschichten von Menschen, die nicht im gesellschaftlichen Vordergrund stehen, ungebrochen.