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31. März – 10. April 2022
Zum Festival Internationale Neue Dramatik 2022 und luden wir Sie ein, herausragende Arbeiten des Autor_innentheaters aus fünf Ländern und drei Kontinenten zu erleben.
Nachdem sich die vergangene Edition durch die pandemie bedingten Einschränkungen auf Europa konzentrierte, zeigte das Festival nun wieder neue Werke auch aus weiteren Teilen der Welt. Besondere Aufmerksamkeit widmete die Ausgabe dabei den »Amerikas«, von Kanada über die USA bis nach Chile. Außerdem zeigten wir Werke aus Frankreich und Belgien.
Artist in Focus: Robert Lepage
Im Zentrum stand diesmal der kanadische Theaterregisseur, Autor, Schauspieler und Filmemacher Robert Lepage (Québec). Nach inzwischen jahrzehntelanger Abwesenheit im Theaterleben dieser Stadt war er erstmals wieder auf einer Berliner Bühne zu erleben.
Lepages Werk ist in seiner umfassenden Ausschöpfung der theatralen Mittel einzigartig und prägend für mehrere Generationen von Theaterschaffenden. Sein Werk verbindet Spielfreude und Humor mit Tragik und profunder Reflexion sowie atemberaubende Bildgewalt mit einer streng durchdachten Ökonomie der dramaturgischen und szenischen Mittel. Beim FIND kann das Publikum zwei legendäre Inszenierungen aus unterschiedlichen Arbeitsperioden des Regisseurs live erleben. So ermöglichen wir einen intensiven Einblick in sein Schaffen.
Zum ersten Mal in Berlin zu sehen war eines von Lepages jüngsten Werken, das Monodrama »887«. Lepage, selbst Darsteller auf der Bühne, unternimmt darin eine gleichermaßen berührende wie überraschende Reise in sein eigenes Gedächtnis. Das individuelle Wiedererleben der Kindheit und ihrer Wendepunkte wird zur universellen und zugleich komischen Reflexion über die Mechanismen der Erinnerung: ihre Risiken, Nebenwirkungen und Fallstricke. Dabei beleuchtet Lepage zugleich den gemeinsamen Urgrund von Gedächtnis und Theater.
In »The Seven Streams of the River Ōta«, entstanden zwischen 1994 und 1996, erweckte Lepage für das FIND ein Meisterwerk seiner frühen Jahre wieder zum Leben. Die titelgebenden sieben Arme des japanischen Ōta-Flusses verkörpern sich in sieben Geschichten, die die großen Plagen der Menschheit im halben Jahrhundert von 1945 bis 1995 vorführen: vom Atombombenabwurf in Hiroshima bis zur AIDS-Epidemie und den viralen Bedrohungen des ausgehenden Millenniums.
Über die Aufführungen in der Schaubühne hinaus beleuchteten wir Robert Lepage durch weitere Veranstaltungen in seinen verschiedenen Facetten, insbesondere als Filmemacher.
Internationales Panorama
In »Until the Flood« erforscht Dael Orlandersmith (St. Louis) auf der Basis von Interviews mit den Bewohner_innen von Ferguson, Missouri, die Hintergründe der Unruhen nach der Erschießung des Jugendlichen Michael Brown. Das von ihr selbst performte Resultat der Recherchen erforscht die komplexen Mechanismen von Rassismus und Macht in den heutigen USA. Ebenfalls auf Grundlage eines Dokuments – dem wörtlichen Transkript eines FBI-Verhörprotokolls bei der Verfolgung eines Datenleaks – entwickelt Tina Satter (New York) in »Is This A Room« ein packendes und zugleich gespenstisches Porträt einer 25-jährigen Whistleblowerin und staatlicher Repression.
Zu Gast beim FIND war zudem erneut die Belgierin Anne-Cécile Vandalem (Brüssel): In »Kingdom« wird für eine Familie die neue Heimat abseits der Zivilisation zur Hölle.
Nicht minder dystopisch beginnt das Stück von Caroline Guiela Nguyen (Paris): In »FRATERNITÉ, Conte fantastique« treffen sich die Überlebenden einer Sonnenfinsternis, bei der die Hälfte der Menschheit verschwunden ist, in einem »Zentrum für Sorge und Trost«. Dort bilden sie eine utopische Gemeinschaft und helfen einander, mit dem Verlust umzugehen.
Im Studio der Schaubühne war mit »L’Aventure invisible« zudem die neueste Produktion von Marcus Lindeen (Paris/ Stockholm) zu sehen, der sich anhand dreier realer und
in ihrer Ungewöhnlichkeit doch vermeintlich an den Grenzen des Fantastischen angesiedelter Fallgeschichten mit Fragen über Identität, Tod und Transformation beschäftigt.
Neue Dramatik an der Schaubühne
Mit der Koproduktion »Oasis de la Impunidad« setzt die Schaubühne ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem chilenischen Regisseur und Autor Marco Layera (Santiago de Chile) fort. In seiner neuesten Produktion, die beim FIND ihre internationale Premiere feiert, setzte er sich mit seiner Kompanie Teatro La Resentida mit der revolutionären Bewegung in Chile im Jahr 2019 und der Wirkung von Gewalt auf der Straße und der Bühne auseinander: Wie wird Gewalt als Disziplinierung in Körper eingeschrieben – und wie lange kann sich staatliche Gewalt in einer Oase der Straflosigkeit frei entfalten, bis geschundene Körper sich in einem Ausbruch zur Wehr setzen?
Um die Wechselwirkungen zwischen weiblichem Begehren und normierten Geschlechterrollen geht es in »Erinnerung eines Mädchens«, einer Adaption von Annie Ernaux’ Text. Die erste Regiearbeit von Sarah Kohm (Berlin) feierte im Studio ihre Premiere.
Aus dem Repertoire war Maja Zades neuestes Stück »reden über sex« in der Inszenierung von Marius von Mayenburg (Berlin) zu sehen.
Diskursiv begleitet wurde das künstlerische Programm durch Podiumsdiskussionen: In einer Gesprächsrunde zum Thema Whistleblowing berichtete Lisa Kretschmer von Reporter ohne Grenzen über ihre Erfahrungen und den Kampf zum Schutz von Bürgerrechtler_innen, die zu Verräter_innen kriminalisiert werden.
Außerdem war am zweiten Festivalsonntag wieder eine Ausgabe des Streitraum Teil vom FIND: Unter dem Motto »Black Lives Matter – nicht nur irgendwann und woanders, sondern hier und jetzt« knüpft Carolin Emcke thematisch an die Produktion »Until the Flood« an und diskutiert unter anderem mit dem Aktivisten und Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, Tahir Della, sowie der Frankfurter Journalistin Hadija Haruna-Oelker über Diskriminierung und anti-Schwarzen Rassismus in Deutschland.
Produktionen FIND 2022
von Robert Lepage
Regie: Robert Lepage
Eva Lichtspiele
(Wer hat meinen Vater umgebracht)
Carolin Emcke im Gespräch mit Tahir Della (Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland – ISD Bund e.V.), Joy Denalane (Musikerin und Sängerin) und Hadija Haruna-Oelker (Journalistin)
Saal A
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