Festival Internationale Neue Dramatik 2025
4. bis 13. April 2025

Das Festival Internationale Neue Dramatik bringt auch im Frühjahr 2025 wieder zeitgenössisches Autor_innen-Theater aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt nach Berlin. Zehn Tage lang zeigen wir neue Arbeiten namhafter Regisseur_innen und Autor_innen und auch ganz unbekannte Kompanien – dieses Jahr u. a. aus Frankreich, Belgien, Kirgisistan und den USA.

ARTIST IN FOCUS

Auch in diesem Festival stellen wir wieder das Werk einer künstlerischen Persönlichkeit als Artist in Focus ins Zentrum: in dieser Ausgabe mit drei Inszenierungen der französisch-vietnamesischen Regisseurin und Autorin Caroline Guiela Nguyen. Ihre Kompanie »Les Hommes Approximatifs« (»Ungefähre Menschen«) verbindet seit 2009 dasselbe künstlerische Team für Bühnenbild, Kostüm, Video, Musik und Lichtdesign. Die Inszenierungen erzählen fiktive Geschichten in hyperrealistischen Settings, die sehr stark von Recherchen, Reisen, Interviews und realen Orten, Begebenheiten und Menschen inspiriert sind. Der internationale Durchbruch gelang Caroline Guiela Nguyen mit ihrer Inszenierung »SAIGON« (2017), einem großen Panorama über die Risse, welche die französisch-vietnamesische Kolonialgeschichte in Familien, Liebes- und Freundschaftsbeziehungen hinterlassen hat. Die Inszenierung lief im FIND 2018 und machte Nguyen in Deutschland bekannt. Seither ist sie um die ganze Welt gereist und kommt zum FIND 2025 im Rahmen der Werkschau zurück. Darüber hinaus zeigen wir Nguyens neuestes Stück »Lacrima« (»Träne«), in dem die Angestellten eines Haute-Couture-Ateliers in Paris, Spitzenklöpplerinnen in der Normandie und ein Perlensticker in Mumbai an einem Hochzeitskleid für das britische Königshaus arbeiten. Die Geschichten hinter dem Kleid erzählen von privater und struktureller Gewalt – und von den Tränen. In einer exklusiven Preview zeigen wir Nguyens allerneuste Arbeit, die erst Ende April zur Uraufführung in Strasbourg (am Théâtre National, dessen Intendantin sie seit 2023 ist) kommt: »La Vérité« (»Die Wahrheit«). Das Stück handelt von Kindern, die für ihre Eltern dolmetschen müssen und so unweigerlich zu Bot_innen werden und schicksalhafte Momente – beim Arzt, der Polizei oder bei Behörden – begleiten.

INTERNATIONALES PANORAMA

Milo Rau kehrt mit seiner Inszenierung »Medeas Kinderen« (»Medeas Kinder«) vom NT Gent zurück an die Schaubühne. Ausgehend von einem realen Kriminalfall und der antiken Medea-Tragödie, in der eine Mutter ihre eigenen Kinder umbringt, ergreifen in Raus Inszenierung sechs Kinder im Alter von acht bis dreizehn Jahren das Wort und reflektieren die absurden und blutigen Tragödien der Erwachsenen und ihre eigene (tragische) Welt.

Der große US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin debattierte 1965 in der Cambridge Union Society mit dem konservativen Denker William F. Buckley Junior. Im Zentrum stand die Frage, ob der »American Dream« auf Kosten der amerikanischen Schwarzen Bevölkerung ging – die Baldwin haarscharf bejahte. Die New Yorker Theaterkompanie »Elevator Repair Service« erweckt in »Baldwin and Buckley at Cambridge« den Austausch dieser zwei Intellektuellen wieder zum Leben. Wir tauchen in eine Debatte über Rassismus und Gesellschaft ein, die immer noch erschütternd aktuell ist.

Mit »Уя« (»Nest«) ist zum ersten Mal beim FIND eine Inszenierung aus Kirgisistan zu Gast. Wir beobachten den Flur einer kleinen Wohnung in Bischkek, durch den verschiedene Personen kommen: ein Mädchen, das in den Clubs der Hauptstadt arbeitet, ein Junge, dessen Vater sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen hat, eine ältere Frau, die bei sich zu Hause ein Waisenhaus eingerichtet hat, ein rechtsextremer Nationalist und eine feministische Aktivistin. Regisseur Chagaldak Zamirbekov und seine Schauspieler_innen haben für das Stück Interviews mit Menschen aus der kirgisischen Gesellschaft geführt. Diese verweben sie zu einem intimen Portrait über die Frage, was Begriffe wie Heimat und Nation für sie bedeuten.

Zudem sind zwei extrem unterschiedliche, jeweils sehr persönliche Arbeiten aus dem französischsprachigen Teil Belgiens zu Gast. Der belgisch-wallonische Schauspieler Cédric Eeckhout holt für die Inszenierung »Héritage« (»Erbe«) seine eigene Mutter auf die Bühne: Jo Libertiaux ist 79 Jahre alt und hat ihr Leben lang als Friseurin gearbeitet. Sie heiratete mit 19, bekam drei Kinder, baute ein Haus, liebt Reisen, Konsum und schöne Kleider, und taugt so auf den ersten Blick nicht als emanzipatorische Heldin. Und doch entdeckt Eeckhout in ihr, die unabhängig sein wollte und sich 1982 scheiden ließ, dadurch ein gesellschaftliches Stigma in Kauf nahm, aber für ihre Söhne allein ein neues Leben aufbaute, eine stolze Kämpferin. Mit seiner Inszenierung macht er ihr eine sehr persönliche Liebeserklärung.

Auf Kirundi bedeutet »ICIRORI« »in den eigenen inneren Spiegel schauen, seiner Geschichte ins Gesicht sehen, um voranzukommen«. Die wallonischburundische Schauspielerin Consolate Sipérius greift diese Bedeutung auf, um einen Dokumentartheaterabend zu schaffen, der auf ihren eigenen Erfahrungen basiert: als sie 4 Jahre alt war, wurden ihre Eltern in Burundi ermordet, sie lebte mit ihrer Schwester versteckt im Wald, bevor sie als Waise in einem kleinen, weißen, bürgerlichen Ort in Belgien adoptiert wurde. Über mehrere Jahre betrieb Consolate dokumentarische und künstlerische Recherchen zu den Themen Identitätszerstörung, Menschenhandel und transnationale Adoption, um sich in dieser Inszenierung ihre eigene Geschichte wiederanzueignen.

 

Das FIND wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin, Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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