Streit ums Politische 2013/14: »Die Macht des Spirituellen«
Heinz Bude im Gespräch mit seinen Gästen
Wir leben in postsäkularen Zeiten. Jedenfalls stehen diejenigen, die alle Fragen nach Gott oder den Göttern als Opium fürs Volk von sich weisen, auf verlorenem Posten. Im Unterschied aber zum New Age, als die geheimen Zeichen der Tarotkarten oder die heilende Kraft der Steine beschworen wurden, werden heute die politischen Gehalte der Religion zur Debatte gestellt. Das Aufregende und Faszinierende der Religion ist vom Raum des Persönlichen und Privaten in den Raum des Öffentlichen und Kollektiven gewandert.
Dabei ist allerdings nicht mehr ganz klar, wie eine reaktionäre von einer progressiven Politik der Religion unterschieden werden kann. So wird die ungeheure Bewegung der Pfingstkirchen im durch und durch katholischen Lateinamerika als Machtnahme der Frauen gesehen, die vom elenden Machismo ihrer Männer genug haben.
Auf der anderen Seite spielen in den monotheistischen Weltreligionen die Fundamentalisten mit dem Feuer. Die Religion ist hier Teil einer ideologischen Explosion, die die Gläubigen gegen die Ungläubigen in Stellung bringt. Es wird in starken religiösen Worten nicht Demut und Liebe, sondern Arroganz und Hass gepredigt. Aus der europäischen Erfahrung steht damit das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Herrschaft auf dem Spiel. Ist das weltweite Öffentlichwerden von Religion Zeichen einer gefährlichen Verwirrung oder Ausdruck einer vergessenen Intensität? Wenn es darauf ankommt, die Welt nicht hinzunehmen, sondern zu verändern, dann ist der Streit ums Politische immer auch ein Streit über die Quellen der kollektiven Selbstermächtigung. Ohne eine Inspiration, die von woanders herkommt, ist Politik offenbar nicht möglich. Allerdings ist die Reaktion darauf immer gespalten: Was bei den einen Begeisterung kann bei den anderen Erschrecken hervorrufen.