Streitraum 1999/2000-2012/13
Streitraum 2012/13: Postdemokratie – Ist die Demokratie am Ende oder nur die Verkrustung, die sie gelähmt hat?
Seit Colin Crouchs Thesen zur Postdemokratie schwelt die Debatte um den Legitimationsverlust der klassischen repräsentativen Demokratie. Bedeutet die Diagnose von der Krise der Institutionen ein Versprechen auf Re-Politisierung der Gesellschaft, der zivilgesellschaftlichen Akteure? Oder besteht die Demokratie nur noch aus der formalen Hülle ihrer Institutionen, die durch eine elitäre Kultur von Experten ersetzt wurde? Gerade in der Finanzkrise scheint der Mangel demokratischer Verständigungsprozesse im eiligen Tempo marktförmiger Entscheidungen der politischen Akteure besonders eklatant.
Liegt in der postdemokratischen Phase eine Wiederbelebung der demokratischen Intuitionen, die sich nur in anderen Genres des politischen Engagements äußern? Wenn es stimmt, dass wir im Moment eine doppelte Krise der Repräsentation erleben, eine der parlamentarischen Demokratie und ihrer Partei-Politik und andererseits der Medien, die sie kritisch begleiten und hinterfragen sollen, dann muss sich der Streitraum auch mit der Frage nach dem Ort und der Sprache gesellschaftlicher Selbstverständigung beschäftigen: Welche anderen Sprachen der Vermittlung könnten das sein, über die sich soziale Bewegungen oder bislang eher ausgeschlossene Milieus artikulieren können? Welche Rolle spielen dabei Theater, Film und Social Media? Wie wirkt sich der Strukturwandel der Öffentlichkeit auf die Chancen demokratischer Veränderungen aus?
Streitraum wird gefördert von
Eröffnung: Postdemokratie – Ist die Demokratie am Ende oder nur die Verkrustung, die sie gelähmt hat?«
Colin Crouch im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 7. Oktober 2012
Demokratie oder Medienherrschaft – wo leben wir eigentlich?
Thomas Meyer, Thomas Krüger und Evelyn Roll im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 18. November 2012
Säkularismus oder Post-Religion – welche Rolle spielt der Glaube noch in der gegenwärtigen Demokratie?
Heinz Bude, Dieter Grimm und Jan Roß im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 9. Dezember 2012
Digitale Demokratie – ist das noch postdemokratisch oder schon nicht mehr?
Christoph Bieber, Anke Domscheit-Berg, Stefan Niggemeier und Malte Spitz im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 6. Januar 2013
Streitraum extra: Asyl in Deutschland!?
Zur Situation der Flüchtlinge in Deutschland 20 Jahre nach dem »Asylkompromiss«
Canan Bayram, Patras (Patrick) Bwansi und Thomas Gebauer im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 3. Februar 2013
Postdemokratie – Jenseits der Nationalstaaten?
Claus Leggewie im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 21. April 2013
Postdemokratie: Die vertagte Krise – oder Demokratie und Kapitalismus als Hase und Igel
Wolfgang Streeck im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 26. Mai 2013
Streitraum extra: Eine ausgesandte Frage
Der israelische Schriftsteller David Grossman im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 9. Juni 2013
Streitraum 2011/12: Angst essen Seele auf
Angst dominiert unser Denken und unsere Politik. Angst vor der atomaren Katastrophe, Angst vor dem Tod, Angst vor dem Fremden, Angst vor dem sozialen Abstieg. Es gibt kurzfristige Ängste und langfristige. Ängste, die sich an Bildern festmachen, an etwas Sichtbarem, Ängste, die sich auf etwas Unsichtbares beziehen, auf etwas, das gar nicht da ist, auch. Wie rational oder irrational sind diese sozialen, existentiellen Ängste? Welche Ängste brauchen wir, welche schaden uns? Welche haben wir unterdrückt, welche haben wir verdrängt? Wie verändern sie unsere Gesellschaft, wie untergraben sie Begriffe und Werte eines offenen, liberalen Europas? Wie manipulativ wird die Angst als Instrument politischer Agitation genutzt? Welche ästhetische Sprache verkleidet die Angst? Welche löst sie aus? Welche Rolle spielen Kunst und Künstler dabei, die hysterische, subversive Kraft der Angst zu brechen und zu ironisieren? Über diese Fragen will der Streitraum in der Spielzeit 2011/12 mit Filmemachern und Soziologen, Anthropologen und Schriftstellern, Politikern und Künstlern debattieren.
Streitraum wird gefördert von
Eröffnung: Angst essen Seele auf
Patrick Bahners und Yassin Musharbash im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 9. Oktober 2011
Angst vor der Gefahr oder Gefahr vor lauter Angst
Friedrich von Borries und Prof. Dr. Bernd Greiner im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 20. November 2011
Das Unbehagen in der Gesellschaft – oder wie sich Freiheit und Angst verbinden
Alain Ehrenberg im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 18. Dezember 2011
Antisemitismus in Ungarn – Was tun?
Ágnes Heller, Prof. Paul Lendvai, Ivan Nagel und András Schiff im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 15. Januar 2012
Meine Krise, deine Krise oder: Wer hat Angst vor dem sozialen Abstieg
Dr. Marcus Balzereit, Prof. Robert Castel und Prof. Dr. Harald Welzer im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 12. Februar 2012
Quo vadis, Berlin? Zwischen Angst vor Gentrifizierung und Angst vor Verarmung
Prof. Dr. Martin Kronauer und Dr. Franz Schulz im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 11. März 2012
Rechter Terror und der Inlandsgeheimdienst oder: Wer überwacht eigentlich die Überwacher?
Prof. Günter Frankenberg, Frank Jansen, Kenan Kolat und Bernd Wagner im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 22. April 2012
Mythos und Wirklichkeit von Sinti und Roma – oder die Konstruktion einer europäischen Angst
Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal, Bence Fliegauf und Romani Rose im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 13. Mai 2012
Streitraum 2010/11: Mythos Aufklärung – Wie aufgeklärt sind wir wirklich?
Es sind zwei Themenkomplexe, die zuletzt die Öffentlichkeit erregten: die Debatte um den Islam und die um den sexuellen Missbrauch. An der Emotionalität der Diskussion ließ sich letztlich auch eine enorme gesellschaftliche Verunsicherung über die eigenen Werte ablesen. Interessanterweise kreisen beide Themenfelder im philosophisch-politischen Kern um die Frage der Aufklärung:
I) Religion und Säkularisierung: Wie vereint ein säkularer Staat unterschiedliche Religionen? Wie lassen sich Moderne und Religion zusammen denken? Wie lässt sich Religion kritisieren? Welche medialen Bilder verfestigen Ressentiments und Orthodoxie? Wie klassenspezifisch werden diese Fragen diskutiert? Keine dieser Fragen lässt sich ohne Rekurs auf den Begriff der Aufklärung denken – doch: Wie aufgeklärt sind wir Europäer wirklich?
II) Sexualität und Erziehung: Wie lebt sich eine Sexualität, über die sich nicht sprechen lässt? Ab wann ist ein Jugendlicher ein sexuelles Subjekt? Wie lässt sich Sexualität vermitteln, ohne sie vorwegzunehmen? Welche Männlichkeits- oder Weiblichkeitsbilder dominieren diesen Diskurs? Welche Bilder bürgerlicher Lebensformen werden daran gekoppelt?
Auch hier ist der Begriff der Aufklärung zentral: was ist ein aufgeklärter Umgang mit Sexualität? Wie sollte eine Erziehung von Jugendlichen im Geiste der Aufklärung heute aussehen? Besonders wichtig sollte dabei auch die Schnittstelle zwischen beiden Diskursen sein: die Frage von Islam und Sexualität. Wie in den letzten Spielzeiten wird der Streitraum auch die Frage der Darstellung von Themen und Identitäten mitverhandeln und die Suche nach überzeugenden Erzählformen von Geschichten weiterverfolgen. Zentrales Thema soll die Darstellbarkeit von Elend sein. Was ist heute überhaupt Elend? Wie wäre es darzustellen, um die Frage nach der gesellschaftlichen Teilhabe aller neu zu stellen.
Streitraum wird gefördert von
Geschichte in Geschichten – Wie erzählt sich die Erfahrung der Wiedervereinigung?
Navid Kermani, Katja Lange-Müller, Moritz Rinke und Jana Simon mit Carolin Emcke
Am 3. Oktober 2010, zu Gast im Deutschen Historischen Museum
Die Kinder Abrahams und der neue Kampf um alte Tabus – Religion und Sexualität
Michael Goldberger, Dr. Thomas Römer und Hilal Sezgin im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 28. November 2010
Die ›Überflüssigen‹ – oder wie Menschen in die Unsichtbarkeit gedrängt werden
Julia Friedrichs, Volker Lösch und Sonia Seymour Mikich im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 12. Dezember 2010
Mein Muslim, dein Muslim – wie das Bild vom Islam in der Öffentlichkeit entworfen wird
Dr. Naika Foroutan, Prof. Dr. Rainer Geißler und Dr. Sabine Schiffer im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 23. Januar 2011
Muslime und Homosexualität – oder die doppelte Diskriminierung
Volker Beck, Hilal Sezgin und Prof. Dr. María do Mar Castro Varela im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 20. Februar 2011
Mythos Aufklärung – oder was wir noch fragen wollten in Sachen RAF
Prof. Dr. Michael Buback und Dr. Wolfgang Kraushaar im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 3. April 2011
Kunst und Kritik in Iran – oder die (fast) schon vergessene Revolution
Dr. Walter Posch, Ali Samadi-Ahadi u.a. im Gespräch mit Carolin Emcke
Am 22. Mai 2011
Streitraum 2009/10: Öffentlichkeit und Vertrauen – was brauchen wir zum Überleben?
Alles steht zur Zeit auf dem Prüfstand: unsere Vorstellung von Kapitalismus, von Bildung, von Arbeit, von Globalisierung, von Verständigung – nur die Öffentlichkeit selbst, das Instrument, mit dem wir als Gesellschaft unsere Selbstverständigungsdiskurse austragen sollten, der Raum, in dem wir unsere Konflikte über Werte und Utopien verhandeln, steht kaum in der Kritik. Wir scheinen orientierungslos in dieser Krise und stellen doch die für eine Demokratie überlebenswichtigen Instrumente der Orientierung selbst nicht in Frage. Warum? Wenn es stimmt, dass die Globalisierung und das Internet eine Verdichtung von Raum und Zeit und eine Beschleunigung von Kommunikation bedeuten, dann ist die Frage des Strukturwandels der Öffentlichkeit eine von elementarer politischer Relevanz. Inwieweit verändert sich durch die Fragmentierung und Individualisierung der Öffentlichkeit durch das Internet auch unsere Gesellschaft? Inwiefern vergrößert zwar das Internet die partizipativen Möglichkeiten der Kommunikation, aber verringert die Gemeinsamkeiten, über die kommuniziert werden kann? Wen repräsentieren unsere Medien noch? Wen kontrollieren sie, und wer kontrolliert sie, die eigentlich der Ort sozialer Kritik in einer demokratischen Gesellschaft darstellen sollen? Gleichzeitig stellt sich die Frage, was es braucht, damit Personen einander vertrauen? Wieviel Unhinterfragtes braucht eine Gesellschaft? Wie irrational oder wie rational ist Vertrauen in das soziale Funktionieren unserer Institutionen? Der Streitraum wird sich über eine Spielzeit hinweg mit der Frage auseinandersetzen, was für eine Öffentlichkeit wir brauchen, in die wir wieder Vertrauen setzen können, damit die Wirklichkeit und die Diskurse über die Wirklichkeit kritisch und politisch wirksam reflektiert werden können.