02/26/2018 > Programmvorschau: Festival Internationale Neue Dramatik FIND vom 6. bis 22. April
In der 18. Ausgabe des Festival Internationale Neue Dramatik, dem FIND, zeigen wir vom 6. bis 22. April 2018 erneut herausragende Inszenierungen aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt. Viele bekannte Theatermacher und Theatermacherinnen und solche die es zu entdecken gilt, werden mit ihren Arbeiten zum ersten Mal in Berlin zu sehen sein. Wir freuen uns, dieses Jahr die folgenden internationalen Künstler und Künstlerinnen und ihre Teams begrüßen zu dürfen: Simon Stone, Caroline Guiela Nguyen, die Theaterkollektive Mapa Teatro und Teatro La María, Rodrigo García, Wajdi Mouawad, Ofira Henig, Angélica Liddell, Ntando Cele, Amir Nizar Zouabi und Karen Breece.
»Die Schaubühne ist stolz darauf, seit nunmehr 18 Jahren mit dem FIND ein Festival zu schaffen, das die neusten Tendenzen von neuem, zeitgenössischem und ensembleorientiertem Theater abbildet und Jahr für Jahr die spannendsten internationalen Produktionen nach Berlin einlädt. Theaterfestivals in anderen aufstrebenden Metropolen wie zum Beispiel Singapur, Seoul, Santiago de Chile und Bogotá werden größer und bedeutender und sehen dies als Ausdruck einer weltoffenen Gesellschaft. Berlin versteht sich als internationale und für junge kreative Menschen offene Stadt – und zu diesem Selbstverständnis gehört auch ein Theaterfestival wie das FIND«, so Thomas Ostermeier, Künstlerischer Leiter der Schaubühne.
Viele der eingeladenen Inszenierungen setzen sich mit dem Vergessen auseinander und halten einer »Kunst des Vergessens« das Theater als Schauplatz der Erinnerung entgegen. Als Ort, an dem verdrängte Konflikte zum Ausbruch kommen – um vielleicht gerade dadurch einen Weg zu ihrer Überwindung zu weisen.
Anhand einer an die Figuren und Situationen Ibsens angelehnten Familie und ihres Ferienhauses porträtiert Simon Stone in »Ibsen Huis« (Amsterdam) einen Kosmos des individuellen und kollektiven Ausblendens von Wahrheit: Ibsensche Lebenslügen, deren Vertuschungsmanöver nur das Aufbrechen alter Wunden bewirken.
In »SAIGON« (Valence/Ho-Chi-Minh-Stadt) geht Caroline Guiela Nguyen dem Versuch der Trauma-Bewältigung unter den vietnamesischen Exilanten Frankreichs nach – und dem dadurch verursachten kulturellen Vergessen und persönlichen Identitätsverlust.
In »La Despedida« (Bogotá) führt die Gruppe Mapa Teatro vor, wie der Friedensprozess mit der FARC-Guerilla der Regierung einen Vorwand für eine gesellschaftliche Amnesie liefert, die sämtliche Erinnerungen an eine einstmals utopisch-revolutionäre Idee verwischen soll.
Angesiedelt in einer Alzheimer-Pflegeklinik für ehemalige Angehörige der Militärjunta, karikiert die Farce »El Hotel« (Santiago de Chile) von Teatro La María die zynische Kultur des Vergessens, die sich unter den einst Verantwortlichen für Folter und Tod in der Pinochet-Diktatur selbstzufrieden breitmacht.
In »Evel Knievel contra Macbeth na terra do finado Humberto« (Montpellier/ Madrid) haucht Rodrigo García dem shakespeareschen Usurpator neues Leben ein: in Gestalt von Orson Welles, der über seine Macbeth-Filmrolle seine reale Existenz vergessen hat und sich nun verfolgt von einem japanischen Manga-Drachen, einem Motorrad-Stuntman und zwei altgriechischen Philosophen von den Spuren seiner imaginierten Identität zu befreien sucht.
Der libanesisch-kanadische Autor, Regisseur und Performer Wajdi Mouawad reist auf den Spuren des Odysseus in »Inflammation du verbe vivre« (Paris) über die Fluten des Lethe Flusses in den Hades, um dort Philoktetes, den vergessenen Helden des trojanischen Krieges, wiederzufinden – landet dabei im Griechenland der heutigen Wirtschaftskrise und stößt auf die Seelen der von der Gesellschaft vergessenen Toten.
Ofira Henig verfolgt in »KIND OF« (Haifa/Berlin) mit ihrem Ensemble die Deformationen, die das auf Exklusion konzentrierte israelische Erziehungssystem bereits im Kindesalter hinterlassen und dabei eine ganze Generation und Bevölkerungsgruppe zu »Vergessenen« gemacht hat.
Angélica Liddell macht sich in »¿Qué haré yo con esta espada?« (Madrid/Tokio) über zwei reale Akte archaischer Gewalt im Paris moderner Tage her: den kannibalischen Mord eines japanischen Studenten an seiner Kommilitonin im Jahr 1981 und die Attentate vom November 2015. Dabei stößt sie zu den vom Rationalismus verdrängten Wurzeln von Gewalt und Zerstörung auf, um ihre Transformation in Kunst, in Akte des poetischen Kannibalismus zu zelebrieren.
Ntando Cele verwandelt sich während ihrer Stand-Up-Konzert-Performance »BLACK OFF« (Durban/Bern) via »Whitefacing« in eine Frau der Oberschicht und hinterfragt zusammen mit einer Rockband weiße Privilegien.
Amir Nizar Zouabi beobachtet in »Oh My Sweet Land« (London/Lausanne) eine Frau beim Kochen einer syrischen Kibbeh. Der Duft des Gerichts auf dem Herd lässt in ihr verschüttete Erinnerungen an die Flucht ihrer Familie aus Syrien und ihre Liebe zu einem syrischen Exilanten wieder auferstehen.
In »don’t forget to die« (München) von Karen Breece versuchen fünf Menschen im Alter zwischen 74 und 94, mit dem eigenen Tod umzugehen.
Zudem sind zwei Inszenierungen des Schaubühnen-Repertoires zu sehen: »LENIN«, Milo Raus Porträt des bereits von Schlaganfällen und zunehmendem Gedächtnisverlust gebeutelten Revolutionsführers und Thomas Ostermeiers Adaption des bahnbrechenden soziologischen Erinnerungsbuches von Didier Eribon über die im gesellschaftlichen Diskurs vergessene Arbeiterklasse und sein eigenes bisheriges Verdrängen seiner Zugehörigkeit zu ihr: »Returning to Reims« zeigen wir in der englischsprachigen Version.
Darüber hinaus bieten wir Publikumsgespräche, eine Podiumsdiskussion mit Didier Eribon, Geoffroy de Lagasnerie und Katja Kipping über das Verhältnis von Kunst, Theorie, Politik und die Rolle der Intellektuellen in den sozialen Bewegungen sowie eine Ausgabe des Streitraums mit Carolin Emcke zum NSU-Komplex. Am Eröffnungswochenende legt am Freitag DJ Gloria Viagra auf und am Samstag gibt es einen Poetry Slam mit Performern aus Manchester sowie ein Konzert mit Nils Ostendorf, Daniel Freitag und Max Andrzejewski.
Ein wichtiger Teil des Festivals ist seit Jahren die Begegnung mit dem künstlerischen Nachwuchs: das zehntägige Workshop-Programm »FIND plus« für Schauspiel- und Regiestudierende. Die 75 Studierenden von Schulen aus Paris, Berlin, Lissabon und New York treffen auf die Theatermacher des Festivals, begleiten das Programm und arbeiten in Masterclasses zusammen.
Das Festival Internationale Neue Dramatik wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und der Lotto Stiftung Berlin. Der Vorverkauf für das Festival startet am 1. März. Das vollständige Programm finden Sie hier: https://www.schaubuehne.de/de/seiten/find-2018.html. Fotos der einzelnen Produktionen können Sie unter dem folgenden Link herunterladen: https://www.schaubuehne.de/de/pressedownload/produktionen.html/Galerie=122
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