03/22/2022 > Annie Ernaux’ »Erinnerung eines Mädchens« an der Schaubühne

 

In ihrer ersten Regiearbeit an der Schaubühne erarbeitet Sarah Kohm mit der Schauspielerin Veronika Bachfischer Annie Ernaux autobiografisches Werk »Erinnerung eines Mädchens«. Premiere ist am 9. April im Studio.

»Erinnerung eines Mädchens« ist die Spurensuche der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 76-jährigen Annie Ernaux nach der eigenen Vergangenheit. Schreibend erinnert sie das Mädchen von damals und ihre ersten sexuellen Erfahrungen als Betreuerin in einer Ferienkolonie für Kinder. Erst sehr viel später, durch das Schreiben von »Erinnerung«, erkennt Ernaux die Geschehnisse als sexuelle und verbale Gewalterfahrung an. Ein tiefer Zusammenhang zwischen weiblichem Begehren und der patriarchalen Unterordnung weiblicher Körper wird sichtbar.

Zusammen mit der Schauspielerin Veronika Bachfischer erkundet Sarah Kohm diesen nur scheinbar überwundenen Zusammenhang in einem konzentrierten Monolog. Um Annie Ernaux’ Geschichte als gesamtweibliche Erfahrung wiederzugeben, spannen eigene Texte der Schauspielerin Veronika Bachfischer den Bogen über die Generationen hin zur heutigen sexuellen Sozialisation von Frauen und zeitgenössischen feministischen Diskursen. Für Regisseurin Sarah Kohm liegt das theatrale Potenzial des Textes in der rückblickenden Selbsterkenntnis der schreibenden Annie Ernaux und der erlebenden 17-jährigen Annie Duchesne: »Der Text fordert uns auf, die eigene sexuelle Sozialisation zu hinterfragen und dadurch eigene Erlebnisse neu zu bewerten, die patriarchale Geschlechterordnung in Frage zu stellen und Begehrensstrukturen zu erforschen«., so Sarah Kohm. »Erinnerung eines Mädchens« macht sich auf die Suche – ausgehend von den Blicken des Publikums, die auf einem Schauspielerinnen-Körper ruhen. Lässt sich eine Sprache und Erzählung für weibliches Begehren entwickeln, die sich jenseits des männlichen Blicks entfaltet? Bühnenbildnerin Lena Marie Emrich schafft dazu einen zeitlosen, minimalistischen Raum, dessen verspiegelte Elemente zentral sind, um das Spiel mit den Blicken und den Male Gaze, den unsere Kultur in weiten Teilen strukturierenden männlichen Blick, zu verdeutlichen.

Sarah Kohm ist geboren und aufgewachsen in Berlin. Nach einem Bachelor in Journalismus/Kommunikationswissenschaft folgte 2014 ein Studium der Musiktheater-Regie an der HfMT Hamburg. Parallel zum Studium absolvierte sie Assistenzen und Hospitanzen u.a. am Schauspielhaus Hamburg, Theater Bremen und der Komischen Oper Berlin. Von 2016 bis 2019 war sie zunächst als Regieassistentin dann als Künstlerische Produktionsleitung an der Schaubühne am Lehniner Platz engagiert. Von 2021 bis 2023 ist sie Stipendiatin der Akademie Musiktheater heute der Deutschen Bank Stiftung in der Sparte Regie. »Erinnerung eines Mädchens« ist ihre erste Regiearbeit an der Schaubühne.

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