Streit ums Politische: »Europe, What Can It Teach Us?«

Heinz Bude in conversation with Nikita Dhawan (Professor of Political Theory)

12/12/2016, 19.30

Das Begehren Europas, die Welt zu zivilisieren, indem es sein Kapital einsetzt, seine Waren absetzt und seine Ideen und Werte anderen aufzwingt, kann nur zelebriert werden, wenn der Zwang und die Gewalt, die diese Praktiken begleiten, geleugnet werden. Vergessen wird die Etablierung eines Sklavensystems, die Ausbeutung, die Plünderung und die vielfachen Genozide, die die Kolonialherrschaft begleitet haben und mithilfe militärischer, materieller und epistemischer Gewalt ermöglicht wurden. Die glorifizierenden Narrative von Europa übersehen den zwanghaften Kontext, in dem EuropäerInnen als ethische Subjekte in der Gestalt von Rettenden der »zurückgebliebenen« Völker und VerteilerInnen von Freiheit, Rechten und Gerechtigkeit erschienen.
Bedauerlicherweise sind Europa und die EuropäerInnen, solange sie unfähig und unwillig sind, von ihren historischen Fehlern, Verfehlungen und Verbrechen zu lernen, dazu verdammt, diese zu wiederholen. Europa muss sich der Herausforderung stellen und wählen, ob es auf seinem früheren Weg des Anspruchs auf moralische, wirtschaftliche und militärische Übermacht gegenüber der nicht-europäischen Welt weitergehen will oder ob es der Herausforderung gewachsen ist, ein anderes Europa zu entwickeln, welches verantwortungsvoll und respektvoll gegenüber Differenz und Alterität ist. Bis Europa seine historische Schuldenlast anerkennt, besteht keine Hoffnung auf eine ethische Beziehung zwischen EuropäerInnen und Nicht-EuropäerInnen. Wenn Europa jedoch bereit und in der Lage sein sollte, von der Geschichte zu lernen, würde die Herausbildung eines post-imperialen Europas eine Chance und Gelegenheit für eine demokratische Iteration Europas sein.

Nikita Dhawan ist Professorin für Politische Theorie mit thematischer Akzentuierung im Feld der Frauen- und Geschlechterforschung sowie Direktorin der Interfakultären Forschungsplattform Geschlechterforschung: Identitäten – Diskurse – Transformationen an der Universität Innsbruck. Zu ihren Veröffentlichungen zählen u. a. »Impossible Speech: On the Politics of Silence and Violence« (2007), »Decolonizing Enlightenment: Transnational Justice, Human Rights and Democracy in a Postcolonial World« (2014), »Postkoloniale Theorie: Eine kritische Einführung« (2015); »Global Justice and Desire: Queering Economy« (2015) und »Negotiating Normativity: Postcolonial Appropriations, Contestations and Transformations« (2016).

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