Streitraum: (Ost-)Identität und (Miss-)Repräsentation
Carolin Emcke im Gespräch mit Christian Bangel (Journalist), Robert Kusche (Opferberatung RAA Sachsen) und Angelika Nguyen (Autorin und Journalistin)
Im letzten Streitraum der Spielzeit zu Fragen von Identität und Repräsentation soll es um den Osten gehen. Oder gibt es diesen gar nicht im Singular? Pegida, Chemnitz, Köthen – die neuen Bundesländer waren zuletzt vor allem als Landschaften des Ressentiments und Rassismus im Blickfeld. In manchen Medien wurde der Osten (und auch der Rassismus) exotisiert: als gäbe es diese Phänomene nicht auch im Westen. Wie lassen sich die besonderen Konflikte und Erfahrungen der Menschen im Osten verstehen und repräsentieren, ohne einerseits rechte Gefahren zu normalisieren und andererseits den Osten kategorial zu vereinheitlichen? Was haben Migrant_innen und Ostdeutsche gemeinsam? Wie lassen sich Gemeinsamkeiten und Differenzen darstellen – ohne die einen gegen die anderen auszuspielen?
Christian Bangel (*1979, Frankfurt/Oder) ist seit 2019 Politischer Autor bei ZEIT ONLINE, zuvor seit 2012 Chef vom Dienst. Er gründete mehrere Online-Portale, u. a. das Netzmagazin »Zuender«, den Anti-Rechtsextremismus-Blog »Störungsmelder« sowie »Netz gegen Nazis«. Er war Leiter des ZEIT-Sonderressorts #D17/#D18 und entwickelte die Aktion »Deutschland spricht« mit, die Menschen unterschiedlicher politischer Ansichten miteinander ins Gespräch brachte. 2017 erschien sein erster Roman »Oder Florida« (PIPER Verlag).
Robert Kusche (*1983, Berlin) ist Geschäftsführer der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen (RAA) e. V. und Leiter der Beratungsstelle »Support für Betroffene rechter Gewalt«. Sein Fokus liegt auf der Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und deren gesellschaftlicher Auswirkung sowie auf der Beratung und Unterstützung Betroffener. Zudem ist er Vorstandsmitglied des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), in dem er sich für die Fortentwicklung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten im Bereich »Hate Crimes« auf europäischer und bundesweiter Ebene engagiert.
Angelika Nguyen (*1961, Ost-Berlin) ist Filmjournalistin und freie Autorin, u. a. für DIE ZEIT. Sie studierte Filmwissenschaft an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf«. 1992 veröffentlichte sie ihren Dokumentarfilm »Bruderland ist abgebrannt« über die Lage vietnamesischer Migrant_innen in Ost-Berlin. 2011 erschien ihr Essay »Mutter, wie weit ist Vietnam?« über Rassismus in ihrer Kindheit in dem Band »Kaltland. Eine Sammlung« (Rotbuch Verlag).
Streitraum 2018/19: »Identität und Repräsentation«
Wenn heute von Identitäten die Rede ist, ist nicht immer sicher, worauf man sich bezieht: auf kulturelle, religiöse, soziale Gemeinschaften? Auf Geschlecht, Herkunft, Nationalität? In welchen ambivalenten Identitäten lassen sich heute gesellschaftliche Formationen begreifen? Welche Zuschreibungen und Projektionen belasten, welche erleichtern die Zugehörigkeit zu einer sozialen oder religiösen Gruppe oder Lebensform? Welche Bilder, welche Begriffe dienen als Instrumente der Stigmatisierung? Warum bleibt die Kategorie der Klasse so tabuisiert als ob es das nicht gäbe: soziale Ausgrenzung oder soziale Distinktion, die sich vererbt von Generation zu Generation? Was braucht es, damit demokratische Gesellschaften wieder durchlässiger, hybrider, pluraler werden? Wie verhalten sich Identität und Repräsentation zueinander? Nicht nur parlamentarische und politische Repräsentationen sehen sich zunehmender Kritik ausgesetzt, auch die Formen medialer, künstlerischer Repräsentationen gehören hinterfragt. Welche Bilder, welche Erzählungen werden zitiert und wiederholt, welche werden verdrängt und vergessen, wie werden Stereotype erzeugt, in denen Vorstellungen von »echt« oder »unecht«, »wir« und dem »Anderen« sich verhärten? Wie frei, wie streitbar, wie bösartig dürfen Menschen oder Gruppen dargestellt und karikiert werden – und welche Kriterien gelten in der Kunst, in der Musik, im Film oder im Theater?